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CDU, Grüne, SPD, FDP: Wahlplakate zur Europawahl.

© imago images / Manngold

Wahlplakat-Analyse zur Europawahl: „Mangelnde Unterscheidbarkeit ist immer ein Vorteil für Populisten“

Wohlfühlkampagne der SPD, eine Prise Angst bei der CDU: Politikberater Johannes Hillje analysiert die Europawahlplakate – und erklärt, was den Slogans fehlt.

Herr Hillje, Wahlplakate werden oft für ihre Einfallslosigkeit kritisiert. Sie haben die aktuellen Kampagnen zur Europawahl genauer unter die Lupe genommen. Können die Plakate die Wähler mobilisieren?

Wir sehen auf den Plakaten viele Bekenntnisse zu Europa. Aber drei Viertel der Deutschen steht bereits hinter der EU-Mitgliedschaft Deutschlands. Eine Mehrheit sagt allerdings, dass Europa Veränderung braucht. Diese Veränderungsbotschaften fehlen auf den Plakaten. Damit die proeuropäischen Parteien genauso gut mobilisieren können wie die Rechtspopulisten, ist es wichtig, dass Unterschiede zwischen ihnen sichtbar werden. Sie müssen untereinander über Europas Zukunft streiten. Mangelnde Unterscheidbarkeit unter den etablierten Parteien ist immer ein Vorteil für Populisten. 

Kritik gibt es beispielsweise an den SPD-Plakaten. Die Sozialdemokraten werben mit den Begriffen Klimaschutz, Zusammenhalt, Miteinander – dazu jeweils der Hashtag #EuropaistdieAntwort. Ist das konkret genug?

Auffällig ist bei den SPD-Plakaten die Fotoalbum-Ästhetik. Die Partei fährt eine wenig kämpferische Wohlfühlkampagne. Aber der Slogan „Europa ist die Antwort“ beantwortet nicht die Frage der SPD-Anhänger. Für sie geht es nicht darum, ob wir dieses Europa wollen. Sondern: Wie verbessern wir dieses Europa? Die Europaromantik, die die SPD in dieser Kampagne verbreitet, wird der Dramatik und Dringlichkeit der anstehenden politischen Herausforderungen in Europa nicht gerecht.

SPD-Wahlplakat.
SPD-Wahlplakat.

© PNN / Ottmar Winter

Von der CDU bleiben vor allem zwei Wahlplakate im Gedächtnis: „Sicherheit ist nicht selbstverständlich“ – dazu eine junge Soldatin und ein Hacker – und „Frieden ist nicht selbstverständlich“. Ist das eine geschickte Erinnerung an das, was uns Europa gebracht hat?

Die Beschreibung des Status quo allein taugt, wie gesagt, nicht zur Mobilisierung der Wähler. Die Botschaft der CDU-Kampagne ist: Das Erreichte erhalten. Die Feststellung, dass Frieden und Wohlstand nicht selbstverständlich sind, ist aber eine Banalität. Es fehlt eine Strategie dafür, wie man diese Errungenschaften dauerhaft sichern kann. Außerdem streut sie mit diesen Aussagen auch eine Prise Angst – mit Kalkül. Denn in einem Klima der Verunsicherung sind Parteien, die als Kernthema Sicherheit haben, relevanter.

Die Union könnte mit Manfred Weber den nächsten Kommissionspräsidenten stellen. Die SPD warb 2014 für Martin Schulz nach dem Motto: ein Deutscher als Kommissionspräsident! Müsste die Union das nicht auch so machen?

Ich finde es gut, dass sie das nicht tut. Ich habe mich damals über die SPD sehr geärgert, weil diese Werbung uneuropäisch war. Der Kommissionspräsident vertritt alle europäischen Bürger und er ist nicht der verlängerte Arm der Bundesregierung.

Im Vordergrund: Ein Wahlplakat der CDU.
Im Vordergrund: Ein Wahlplakat der CDU.

© Manfred Thomas / TSP

Der wichtigste Slogan der AfD ist „Geht’s noch Brüssel?“. Etwa: „Unser Geld für alle? Geht’s noch Brüssel?“ Selbst innerhalb der AfD gab es Kritik am intellektuellen Niveau der Plakate. Könnten die Sprüche nicht gerade bei Protestwählern verfangen?

Brüssel ist für die AfD die neue Merkel. Die Partei will das Vorurteil befeuern, die EU mache Politik an den Bürgern vorbei. Sie versucht politische Unzufriedenheit zu aktivieren und das Misstrauen, das politischen Institutionen entgegengebracht wird. Diese klassische Anti-Eliten-Botschaft verbindet sie mit einem nationalistischen Einschlag.

Aber das ist ja aus Sicht der AfD geschickt.

Das Risiko für die AfD in diesem Wahlkampf ist, dass sie zu negativ über Europa redet und eine zu stark antieuropäische Tonlage anstimmt. Auch das Flirten mit dem Dexit ist gefährlich. Grundsätzlich haben wir eine sehr proeuropäisch eingestellte Bevölkerung. Auch viele AfD-Wähler wollen die EU nicht abreißen, sondern nur Kompetenzen auf den Nationalstaat zurückverlagern. Die AfD hat zudem ein Glaubwürdigkeitsproblem: Sie will in ein EU-Parlament einziehen, das sie abschaffen will.

Bei der Europawahl 2014 haben Sie den Wahlkampf der Europäischen Grünen gemanagt. Für wie einfallsreich halten Sie beim aktuellen Wahlkampf Slogans wie „Kommt der Mut geht der Hass“? Oder „Kommt, wir bauen das neue Europa“?

Die Plakate kommen zwar sehr proeuropäisch daher, aber es fehlt an Konsequenz. Man zeigt nicht das Logo der europäischen Grünen, dabei ist die Grünen-Spitzenkandidatin Ska Keller auch die der europäischen Grünen. Bei der Bundestagswahl 2013 wurde es zudem hinterher als ein Fehler bezeichnet, dass man die Wähler geduzt hat – einige fanden das nicht angemessen. Jetzt tun die Grünen es mit „Kommt, wir bauen das neue Europa“ wieder. Es ist wird auch interessant sein, ob die klassische Tier- und Umweltästhetik auf einigen Plakaten den Interessen der breiteren Wählerschaft entspricht, die man als 18- bis 20-Prozent-Partei ansprechen möchte.

Wahlplakate von Grünen und FDP.
Wahlplakate von Grünen und FDP.

© PNN / Ottmar Winter

Auf vielen Plakaten ist Parteichefin Annalena Baerbock zu sehen und nicht Spitzenkandidatin Ska Keller. Will man da von der Popularität der Grünen-Spitze profitieren?

So viel Personalisierung war sicher noch nie bei den Grünen wie in dieser Kampagne. Es ist auch logisch, wenn man sich die Beliebtheitswerte der Parteispitze anschaut. Aber bei der letzten Europawahl hat man noch die CDU kritisiert, dass die mit Merkel warb. Da müssen sich die Grünen jetzt die Frage stellen lassen: Ist es redlich mit Baerbock zu werben, die nicht für das Europaparlament kandidiert? Grundsätzlich ist die Personalisierungsstrategie aber richtig. Bei der FDP dagegen weiß ich nicht, ob es aufgehen wird.

Warum?

Da gibt es die Plakate, auf denen Nicola Beer als Kandidatin mehr als die Themen im Vordergrund steht. Beer ist aber intern nicht sonderlich beliebt und extern nicht sonderlich bekannt. Das sind eigentlich schlechte Voraussetzungen für eine Personalisierungsstrategie und kann nach hinten losgehen. 

Ein wenig konkreter wird die Linke mit Slogans wie „Gute Arbeit in Europa – Mindestlöhne rauf“ oder „Flucht hat Ursachen – Waffenexporte stoppen“. Ist das dann eher, was Sie empfehlen?

Das sind klassische linke Forderungen, teilweise muss man wegen der Plakatgestaltung aber genau hinschauen, um sie lesen zu können. Das ist ungünstig, denn Plakate werden im Vorbeigehen wahrgenommen. Zum Teil geht es auch um Themen, die auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar sind - zum Beispiel mehr Geld für Bildung. In der Bildungspolitik hat Europa am wenigsten Kompetenz.

Johannes Hillje ist Politik- und Kommunikationsberater.
Johannes Hillje ist Politik- und Kommunikationsberater.

© promo

Johannes Hillje ist Politik- und Kommunikationsberater. Zuletzt hat er ein Buch veröffentlicht zur europäischen Öffentlichkeit.

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