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Nigel Farage, der Vorsitzende der britischen Brexit-Partei, am Freitag in London.

© Stefan Rousseau/dpa

Wahlkampf in Großbritannien: Brexit-Partei droht Johnson

Der Chef der Brexit-Partei, Nigel Farage, fordert Premier Boris Johnson auf, den EU-Deal zurückzuziehen. Andernfalls werde er landesweit Kandidaten aufstellen.

Es war die Art Wahlkampfhilfe, die der britische Regierungschef Boris Johnson überhaupt nicht gebrauchen kann. US-Präsident Donald Trump war am Donnerstag in einer Sendung des Londoner Radiosenders LBC zugeschaltet. Trump lobte in der Sendung zwar den britischen Regierungschef als „fantastischen Mann“. Aber dann kam eine entscheidende Einschränkung. Trump erklärte in der Radiosendung, dass die USA „keinen Deal mit dem Vereinigten Königreich eingehen können“, zumindest nicht auf der Grundlage des vorliegenden EU-Austrittsvertrags.

Der EU-Austrittsvertrag spielt für Johnson eine wesentliche Rolle

Der Austrittsvertrag ist von wesentlicher Bedeutung für Johnsons Wahlkampagne vor der Unterhauswahl am 12. Dezember. Der Regierungschef möchte mit der Ansage vor die Wähler treten, dass der von ihm mit der EU ausgehandelte Deal endlich den Austritt aus der EU sicherstellen könne – vorausgesetzt, die Konservativen erhalten dafür die nötige Mehrheit im Unterhaus. Zudem hatte Johnson immer wieder betont, dass der Deal es Großbritannien ermöglichen werde, nach dem Abschied von der EU Freihandelsabkommen in aller Welt abzuschließen. Nach der Intervention Trumps dürfte es Johnson in den kommenden sechs Wochen bis zur Wahl schwerer haben, mit diesem Argument zu punkten.

Es ist kein Novum, dass sich US-Präsidenten in die britische Innenpolitik einmischen. 2016, auf dem Höhepunkt der Referendumskampagne, appellierte der damalige US-Staatschef Barack Obama in London bei einer Pressekonferenz an der Seite des seinerzeitigen Regierungschefs David Cameron an die Briten, in der EU zu bleiben. „Großbritannien kommt am ehesten zur Geltung, wenn es bei der Führung einer starken EU mithilft. Wenn Großbritannien Teil der EU ist, hat es mehr Macht“, sagte Obama damals.

Trump leistete Wahlkampfhilfe für Farage

Zu denen, die Obamas Kommentar zur britischen Innenpolitik seinerzeit zurückwiesen, gehörte Nigel Farage, der damals die Austrittspartei Ukip führte. Obama rede Großbritannien herunter, sagte Farage seinerzeit. Inzwischen ist Farage Chef der Brexit-Partei. Der 55-Jährige war es auch, der als Gastgeber der LBC-Radiosendung vom Donnerstag das Interview mit Trump führte. Trump und Farage sind politische Weggefährten. Mit dem Interview in der LBC-Sendung tat der US-Präsident dem Chef der Brexit-Partei einen großen Gefallen zum Auftakt des Wahlkampfs.

Kaum hatte sich die Aufregung in Großbritannien über die Intervention Trumps etwas gelegt, zündete Farage am Freitag den nächsten politischen Sprengsatz. Der Brexit-Ultra drohte, dass seine Partei am 12. Dezember in sämtlichen Wahlkreisen in England, Schottland und Wales Kandidaten aufstellen werde, falls Johnson seinen Deal mit der EU nicht zurückziehen werde.

Ein solcher Schachzug würde Farage nicht nur reichlich mediale Aufmerksamkeit verschaffen. Vor allem würde es für Johnsons Tories ein großes Risiko bedeuten, falls Farage seine Drohung wahr machen sollte. Nach dem britischen Mehrheitswahlsystem schickt in jedem Wahlkreis diejenige Partei einen Kandidaten oder eine Kandidatin ins Parlament, der oder die dort die meisten Stimmen erhalten hat. Die Brexit-Partei kann zwar nur in den seltensten Fällen damit rechnen, ihre Kandidaten durchzubringen. Aber die massenhafte Kandidatur von Bewerbern der Brexit-Partei könnte am Wahltag dazu führen, dass in vielen Wahlkreisen statt der Tory-Kandidaten die Labour-Leute die Nase vorn haben.

Anfang Dezember wird Trump in London erwartet

Dass Johnson angesichts der Drohung der Brexit-Partei den Deal mit der EU zurückzieht, ist nicht zu erwarten. Ein Sprecher Johnsons verteidigte am Freitag den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag. Es wäre indes keine Überraschung, wenn sich Trump ein weiteres Mal in den britischen Wahlkampf einmischen würde. Anfang Dezember wird er in London zum Nato-Jubiläumsgipfel erwartet.

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