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Köpfe und Slogans wirken: Großplakate in Berlin.

© Kay Nietfeld/dpa

Wahlkampf im Zeitalter der Digitalisierung: Verblüffend analog – Plakate sprechen Wähler am meisten an

Eine breit angelegte Umfrage zeigt: Klassische Kanäle der Wahlwerbung liegen noch immer deutlich vor sozialen Medien.

Wer hätte es gedacht? Der Wahlkampf läuft viel analoger, als man denken könnte. Und das klassische Wahlplakat ist auch im Zeitalter der Digitalisierung und der sozialen Medien das Wahlkampfmittel, das von der Bevölkerung am ehesten wahrgenommen wird. Und zwar nicht nur von Rentnern und „Best Agern“ über 50, sondern quer durch alle  Altersgruppen.

Wahlplakate sprechen Wähler bis Mitte 40 sogar besonders häufig an – drei Viertel gaben das zumindest so in einer breit angelegten Wahlkampfstudie mit fast 15.000 Befragten an, die der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim zusammen dem Meinungsforschungsinstitut Forsa unternommen hat. Die Hauptregel Brettschneiders lautet: „Bildplakate sind generell besser als Textplakate.“

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Insgesamt liegen Plakate mit fast zwei Dritteln bei allen Wählerinnen und Wähler in der Wahrnehmung ganz vorn. Auch die Spots der Parteien im Fernsehen (50 Prozent), Anzeigen in Zeitungen (35 Prozent) oder Flugblätter und Postsendungen (47 Prozent) haben eine relativ hohe Reichweite.

Insgesamt deutlich geringer ist der potenzielle Einfluss von Internetseiten der Parteien und Kandidaten, die nur gut ein Viertel der Befragten ansprechen (aber 40 Prozent der Jüngeren unter 30). Das gilt auch für Seiten auf Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram. Diese erreichen nur 28 Prozent der Wahlberechtigten. Allerdings ist der Umbruch im Gange – bei den Befragten unter 30 Jahren sind soziale Medien mit einer Quote von 56 Prozent das zweitwichtigste Werbemittel im Wahlkampf.

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Immerhin ein Viertel aller Teilnehmer der Erhebung nennt Wahlkampfstände der Parteien auf die Frage, wie sie den Wahlkampf wahrnehmen. Wahlveranstaltungen stehen mit 15 Prozent und direkte Kontakte mit Kandidaten mit nur acht Prozent in der Reichweitenliste.

Bild vor Text

Und wie wirken Wahlplakate über die reine Wahrnehmung hinaus? Brettschneider nutzt dazu  neben Befragungen auch Blickaufzeichnungen. Wenig Wirkung haben nach seinen Erkenntnissen die reinen „Kopfplakate“, die häufig mit den Direktkandidaten in kleiner Größe in den Straßen hängen. Brettschneiders Eindruck: „Sie machen die Kandidaten und Kandidatinnen zwar etwas bekannter, doch viele Menschen sind früher oder später von diesen Plakaten genervt.“

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Anders sei dies bei den Großplakaten mit den Köpfen von Spitzenkandidaten. Hier wird über den Parteinahmen hinaus häufig auch eine Textbotschaft mitgeliefert, über ein Thema, einen Slogan oder Eigenschaftszuschreibungen wie Verlässlichkeit oder Führungsstärke.  Damit wird eine größere Wirkung erreicht. Vor allem die SPD hat in den vergangenen Wochen darauf gesetzt mit den großen Olaf-Scholz-Plakaten. „ Angesichts seiner vergleichsweise hohen Popularität ist das sinnvoll“, sagt Brettschneider. Was gar nicht gut ankommt sind reine Textplakate – sie wirken laut Brettschneider gar nicht „oder sogar abstoßend“.

Allerdings taugen Wahlplakate kaum dazu, die Einstellungen der Wähler zu verändern. Die Hauptfunktion ist, Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die für eine Partei  günstig sind. Aber es gilt, dass Bilder besser wirken als Texte. „Fast 70 Prozent der Betrachtungszeit entfallen auf die Bildbereiche der Plakate“, stellt Brettschneider fest. Was auch hilft: freundliche, leuchtende Farben statt schriller Töne, klare Gliederung, emotional positiv besetzte Bilder. Der „Überlegenheitseffekt“ der Bilder ziehe sich durch alle Altersgruppen.

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