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Wahlkampf 2013: Wer wird Kanzler?

Kanzler und Kandidaten: Die Geschichte der Bundesrepublik ist auch eine Geschichte dieser Duelle. Adenauer und Schumacher, Schmidt oder Kohl, Kohl gegen Schröder. Und nun trifft Merkel auf Steinbrück. Ein Rückblick.

Am Anfang war ja Konrad Adenauer. Ein zunehmend knittriger alter Herr, der das wilhelminische Kaiserreich noch erlebt hatte. Für Peer Steinbrück, Jahrgang 1947, war Adenauer vermutlich nicht die interessanteste Figur seiner Kinderjahre (auch wenn der Papa Steinbrück wohl Adenauer-Fan war) – der kleine Peer las lieber „Prinz Eisenherz“ und ging zum Hamburger SV, wo Uwe Seeler die Tore schoss. 31 Treffer waren es 1957, dem Jahr, in dem Adenauer das Kunststück gelang, für seine Union mit 50,2 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im Bundestag zu holen. Der unterlegene Kanzlerkandidat hieß Erich Ollenhauer, wie schon 1953. Adenauer prägte Westdeutschland, eine ganze Ära ist nach ihm benannt. In der DDR herrschte Walter Ulbricht, als Angela Merkel zur Schule ging und vielleicht die Mosaik-Hefte mit den „Digedags“ las. Wahlkämpfe gab es dort nicht, allenfalls Machtkämpfe. Und mit dem Begriff Kandidat verband man die zweite Reihe im Politbüro der SED.

Also zurück in die Bundesrepublik. Bei der ersten Bundestagswahl hatte Adenauer 1949 Kurt Schumacher geschlagen, beide lagen aber fast gleichauf – 29,2 Prozent für den von der KZ-Haft gezeichneten Sozialdemokraten, 31 Prozent für den katholischen Rheinländer. Es war das erste Kandidatenduell (und streng genommen auch das letzte, denn fürderhin traten stets die amtierenden Kanzler an, die man schwerlich als Kandidaten bezeichnen kann). Adenauer besiegte auch Willy Brandt, das war 1961. Für Merkel, Jahrgang 1954, war wohl die Wahl 1965 die erste, die sie im fernen Templin bewusst mitbekommen hat – Brandt verlor noch einmal, nun gegen Ludwig Erhard, eine ziemlich populäre Figur in jener Übergangsphase zwischen den biederen Fünfzigerjahren und dem Aufbruch von 1968, in der die SPD den Berliner Regierenden als deutschen Kennedy präsentierte. Personalisierung ist nicht erst vor ein paar Jahren erfunden worden.

Alle Regierungsparteien haben stets ihre Kanzler herausgestellt (und wenn es zähneknirschend war wie 1998 die CDU, als vielleicht nicht Helmut Kohl der Meinung war, man müsse ihn nun endlich mal abwählen, aber eine ausreichende Mehrheit der Deutschen – und nicht wenige in der Union, die künftige Kandidatin Merkel vermutlich eingeschlossen). Brandt hat zweimal gesiegt, aber nicht ganz so glänzend, wie sein Bild in der Geschichte heute ist. Kurt- Georg Kiesinger, der silberzüngige Kanzler von der CDU, lag 1969 vor ihm und sah sich schon als Chef einer schwarz-gelben Koalition, aber dann machte die FDP nicht mit (die übrigens auch mal einen Kanzlerkandidaten aufbot, der Guido Westerwelle hieß, im Jahr 2002, Ergebnis 7,4 Prozent). Gegen Rainer Barzel lag Brandt 1972 auch nur knapp vorn. Vier Jahre später, nach fliegendem Wechsel hieß der Kanzler nun Helmut Schmidt, trat Helmut Kohl als Herausforderer an. Der belächelte schwarze Riese aus der Pfalz ließ den hanseatischen Weltökonomen ziemlich schlecht aussehen. Doch es reichte der sozialliberalen Koalition für eine dritte Amtszeit.

1980 bekam der sich über allen wähnende Franz Josef Strauß seine Chance, konnte sie aber nicht nutzen – immerhin war es ein denkwürdiger, aufgeregter Wahlkampf, der Schmidt eine Verlängerung bescherte, in der Rot-Gelb dann aber der Atem ausging. Kohl wurde Kanzler durch den Koalitionsschwenk der FDP, bei der zur Bestätigung dessen vorgezogenen Bundestagswahl 1983 war es Hans-Jochen Vogel, der von der SPD zum Verlieren ins Rennen geschickt wurde (es ging damals tatsächlich darum, ob Kohl eine Alleinregierung schaffen würde – knapp dran war er am Ende auch).

Kohl hat vier sozialdemokratische Kanzlerkandidaten verschlissen. Nach Vogel versuchte es 1987 Johannes Rau, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident (dessen Büroleiter damals Peer Steinbrück hieß, der hier nun in unsere Geschichte hineingerät, auch wenn Rau wohl kaum darauf gewettet hätte, dass sein penibler Vorzimmermanager wirklich mal Kandidat sein würde). 1990 hieß der Verlierer Oskar Lafontaine, es war der Einheitswahlkampf, ein bisschen national ging es plötzlich wieder zu, der Saarländer war da nicht die Idealbesetzung (Brandt, der den richtigen Ton traf, war jedoch schon viel zu alt).

Diese Wahl brachte nun auch Angela Merkel ins politische Rennen, obwohl ihr Förderer Kohl kaum darauf gewettet hätte, dass die junge Frau mit dem Kurzhaarschnitt, die optisch eher zu den Bündnisgrünen passte, mal Kandidatin würde, geschweige denn Kanzlerin. 1994 unterlag der unglückliche Rudolf Scharping gegen den in jeder Hinsicht gefestigten Einheitskanzler, dessen Kanzlerwahlbilanz übrigens lautete: stetig schlechter, von fast 49 Prozent 1983 auf nur noch 35,1 Prozent, als Gerhard Schröder ihn 1998 aus dem Amt fegte, eine weitere denkwürdige Wahl. Rot-Grün hatte gesiegt, und Merkel in gewissem Sinne auch, denn den folgenden Umbruch in der CDU gestaltete sie zielstrebig, die eigene Kandidatur fest im Blick. Auch wenn Edmund Stoiber 2002 dazwischenkam, dem aber wiederum die Flut dazwischenkam, weshalb Merkel es bei der vorgezogenen Wahl 2005 trotz magerer 35,2 Prozent schaffte, ins Kanzleramt zu kommen. Dass die Wahl früher stattfand, hatte wiederum viel mit Steinbrück zu tun, denn der war als Ministerpräsident in NRW abgewählt worden, der Anlass für Schröder, in den Angriff überzugehen, der dann zu seiner Niederlage führte. Merkel als Kanzlerin bekam dafür Steinbrück als Finanzminister in der schwarz-roten Koalition, die beiden Parteien nicht gut bekam, aber der Union ein bisschen besser als der SPD. Merkel konnte ihren Außenminister Frank-Walter Steinmeier 2009 besiegen (war das überhaupt ein Duell?) und durfte dank eines guten FDP-Ergebnisses im Amt bleiben. Der Rest ist nun auch schon Geschichte. Am 22. September fordert Steinbrück Merkel heraus. Man kennt sich.

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