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Am Dienstag stimmen die Israelis über ein neues Parlament ab. Premier Netanjahu wird womöglich das Rennen machen. Als einer seiner aussichtsreichsten Gegner gilt Jair Lapid, Chef von Yesh Atid.

© Ammar Awad/Reuters

Wahlen in Israel: Kann sich Netanjahu eine neue Amtszeit sichern?

In wenigen Tagen wählen die Israelis schon wieder ein neues Parlament. Doch Premier Netanjahu dürfte es schwer fallen, eine stabile Regierung zu bilden.

Nein, eine fünfte Abstimmung werde es so schnell nicht geben, versicherte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor wenigen Tagen im Fernsehen. Am 23. März stehen in Israel Parlamentswahlen an, immerhin schon die vierten in nur zwei Jahren. Und dass Analysten Netanjahus Behauptungen zum Trotz schon über einen fünften Wahlgang spekulieren, sagt einiges über die Stimmungslage im Land.

Mehr als ein Jahr lang wurde es von einer Interimsregierung verwaltet, bis im vergangenen Frühling eine dysfunktionale und dementsprechend kurzlebige große Koalition an die Macht kam.

Dass der anstehende Wahlgang in Pandemiezeiten das Land aus dem ermüdenden Kreislauf aus politischer Blockade, Streit und Neuwahlen befreit, steht keineswegs fest. Keiner der großen Parteiblöcke kommt nach derzeitigen Umfragen auf eine Mehrheit.

Zwar bleibt Netanjahus rechte Likud-Partei mit 29 prognostizierten Mandaten stärkste Kraft. Doch ihre traditionellen Koalitionspartner aus dem rechts-religiösen Spektrum stehen zu schwach da, um einer Koalition unter Netanjahus Führung die nötige Mehrheit von 61 Sitzen zu beschaffen. Beruhigen dürfte den Premier allenfalls, dass es keine klare Machtalternative gibt.

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Als aussichtsreicher Kandidat der Opposition gilt Yair Lapid, dessen säkulare, mittig orientierte Partei Yesh Atid (Es gibt eine Zukunft) in Umfragen bei 19 Mandaten liegt. Doch selbst, wenn es ihm gelänge, eine ideologisch äußerst breit gespannte Koalition aus linken und rechten Parteien zu bilden, würde er die Mehrheit verfehlen.

Die Linke? Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

Eine Zusammenarbeit mit Netanjahu wiederum, unter dem er einst zwei knappe, glücklose Jahre als Finanzminister diente, schließt Lapid entschieden aus – und im Gegensatz zu anderen wirkt er glaubwürdig dabei.

Schließlich löste er schon im letzten Frühling seine Allianz mit Benny Gantz, dem Vorsitzenden der Blau-Weiß-Partei, als dieser sich anschickte, unter dem Eindruck der Coronakrise mit Netanjahu zu koalieren – und damit sein zentrales Wahlversprechen zu brechen.

Säkular und nationalistisch: Avigdor Lieberman und seine Partei "Unser Haus Israel" wird als möglicher Königsmacher gehandelt.
Säkular und nationalistisch: Avigdor Lieberman und seine Partei "Unser Haus Israel" wird als möglicher Königsmacher gehandelt.

© Gil Cohen-Magen/AFP

Stattdessen ging Lapid in die Opposition und schärfte mit Attacken gegen die Regierung sein Profil als entschiedenster Kontrahent Netanjahus. Seine Prinzipientreue scheint sich auszuzahlen: Während Blau-Weiß gefährlich nah an der 3,25-Prozent-Hürde entlang balanciert, ist Yesh Atid nun zweitstärkste Kraft.

Die israelische Linke rutscht derweil weiter ab in die Bedeutungslosigkeit: Die beiden einzigen Parteien mit dezidiert linkem Profil, Avoda (Arbeit) und Meretz (Kraft, Vitalität) liegen bei sechs bzw. vier Sitzen; Meretz droht gar, den Sprung ins Parlament, zu verpassen.

Das rechte Lager? Eine erstarkende politische Kraft

Mit Ausnahme von Yesh Atid sind die laut Umfragen stärksten Parteien – Likud, Tikwa Chadasha (Neue Hoffnung) und Yamina – allesamt im rechten Lager angesiedelt. Doch wie schon bei den letzten Wahlgängen entscheidet die klassische Rechts-Links-Teilung längst nicht mehr über mögliche Koalitionen.

Deutlich mehr Gewicht hat die Frage, ob eine Partei mit Netanjahu zu koalieren bereit ist oder nicht. Im Anti-Netanjahu-Lager finden sich Parteien wie Tikwa Chadasha und Israel Beitenu (Unser Haus Israel), die in manchen Fragen weiter rechts stehen als der Likud, ebenso wie linke und arabische Kräfte.

Ein verunsichertes Land im Stillstand

Nach dem 23. März dürften also äußerst schwierige Koalitionsverhandlungen anstehen – und nicht jeder teilt Netanjahus Einschätzung, dass sie in eine stabile Regierung münden werden. Nur 29 Prozent der Israelis glauben, dass die Wahl das Land aus dem politischen Stillstand befreit, zeigt eine Umfrage des Israel Democracy Institute, eines liberalen Think Tanks.

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Auf die Wahlen werde eine lange Phase der Unsicherheit folgen, meint auch Tal Shalev, politische Analystin vom israelischen Nachrichtenportal Wallah. Eine fünfte Wahl schließt sie nicht aus – auch weil Netanjahu, der sich wegen Korruptionsverdacht vor Gericht verantworten muss, sich offenbar so lange wie möglich im Amt halten will.

„Den Umfragen zufolge ist ein Patt sehr wahrscheinlich“, sagt sie. „Und jedes Mal, wenn es ein Patt gibt, zieht Netanjahu es vor, eine weitere Wahl zu haben und Ministerpräsident zu bleiben.“

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