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Ist es das Ende seiner politischen Karriere? Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

© Ronen Zvulun/Reuters

Update

Wahlen in Israel: Eine ganz große Koalition - ohne Netanjahu?

Nach der Wahl in Israel spricht vieles für eine Einheitsregierung. Der derzeitige Ministerpräsident könnte dabei leer ausgehen.

Wieder hat Israel gewählt, bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr. Und wieder gibt es kein klares Ergebnis. Zwar dürfte es Herausforderer Benny Gantz mit einem Sitz Vorsprung auf 33 Mandate schaffen. Damit wäre er der Gewinner der Wahl. Doch eine Regierung mit dem eigenen Mitte-Rechts-Lager dürfte er genauso wenig zustande bringen wie Premier Benjamin Netanjahu mit seinem rechts-religiösen Block. Der war bereits Mai mit der Koalitionsbildung gescheitert und setzte deshalb auf Neuwahlen. Doch Klarheit hat das nicht gebracht. Das Land ist gespalten, die Fronten verhärtet. Welche Lösungen und welche Bündnisse sind jetzt möglich?

Im Gespräch ist derzeit vor allem eine große Koalition. Herausforderer Benny Gantz bekundete am Mittwoch schon Interesse. „Lange Zeit waren wir mit Kampagnen beschäftigt, jetzt ist die Zeit gekommen, um an dem zu arbeiten, was wichtig ist. Ich wünsche dem Staat Israel eine starke Einheitsregierung.“ Zu Gesprächen mit dem Likud zeigte er sich schon im Vorfeld bereit – vorausgesetzt, dass Netanjahu nicht mehr an dessen Spitze steht. Dem Ministerpräsidenten droht die Anklage in drei Korruptionsfällen wegen Betrug, Bestechlichkeit und Untreue, will aber auch im Fall einer Anklage weiter regieren. Fraglich ist allerdings, ob seine eigene Partei ihn als Chef weiter tragen wird, gerade jetzt, da es ihm nicht gelungen ist, den Likud zur stärksten Kraft im Parlament zu machen.

Avigdor Lieberman hatte lange vor der Wahl die Idee einer Einheitsregierung präsentiert. Der Chef der Partei Yisrael Beitenu („Unser Heim Israel“) gilt als großer Gewinner der Neuwahlen und somit als Königsmacher. Er kommt nach aktuellem Stand der Auszählung auf neun Sitze in der Knesset, Israels Parlament – knapp doppelt so viele wie noch im April. Mit seiner Kompromisslosigkeit gegenüber den Ultraorthodoxen hatte er die Koalitionsverhandlungen im Mai platzen lassen und sich bei den säkularen Wählern beliebt gemacht. Er will Teil der Regierung werden, wenn die Strengreligiösen außen vor bleiben. Die sind mit voraussichtlich 17 Stimmen für eine rechte Koalition allerdings unerlässlich.

Lieberman plädiert deshalb für eine große Koalition mit dem Likud und dem Bündnis Blau-Weiß. Seine politischen Forderungen machte er nach der Wahl noch einmal deutlich. Er will die Zivilehe in Israel, öffentliche Transportmittel am Schabbat und den Unterricht von Grundlagen-Fächern an ultraorthodoxen Grundschulen. „Entweder eine nationale Einheitsregierung oder eine große liberale Koalition. Von unserem Standpunkt aus gibt es keine anderen Optionen“, sagte Lieberman. Eine Regierung mit Netanjahu an der Spitze schloss er nicht völlig aus. Eine Mitte-links-Koalition mit der Vereinigten Arabischen Liste nannte er allerdings „absurd“. Diese Liste gilt als zweiter großer Gewinner der Wahl. Sie kommt voraussichtlich auf 12 Mandate und ist damit drittstärkste Kraft im Parlament. Der Vorsitzende Ayman Odeh möchte Oppositionsführer werden und damit auch das Recht erhalten, an Sicherheitsberatungen teilzunehmen.

Netanjahu verzichtet auf Teilnahme an UN-Vollversammlung

Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben. Für eine rechte Regierung fehlen ihm nach derzeitigem Stand noch sechs Sitze. Mit den beiden ultraorthodoxen Parteien (sieben und acht Sitze) sowie dem Rechtsbündnis Yamina (sieben Sitze) kommt er auf nur 55 Mandate. Netanjahu fragte bereits beim Bündnis aus Arbeitspartei und Gescher an, bekam jedoch eine Absage. Es sieht also schlecht aus für Netanjahu. Vermutlich deshalb hat sein Büro angekündigt, der Premier werde auf einen Besuch der UN-Vollversammlung in New York verzichten.

Staatspräsident Reuven Rivlin, nicht gerade ein Netanjahu-Freund, wird nun die schwierige Aufgabe haben, eine Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Für gewöhnlich ist es jene mit den besten Chancen oder den meisten Sitzen. Noch lassen ohnehin die offiziellen Zahlen des Zentralen Wahlkomitees auf sich warten. Um Fehler zu vermeiden und dem Verdacht auf Wahlfälschung nachzugehen, hat das Komitee das Verfahren geändert. Israelische Medien berufen sich bei ihren Berichten auf Quellen in der Behörde. Nach derzeitigem Stand sieht es allerdings nicht so aus, dass Netanjahus Likud den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten wird. Was dann passiert, könnte der Anfang des Endes von Netanjahus Karriere bedeuten.

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