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Assad und Putin, ein Herz und eine Seele. Sie sitzen in Syrien am längeren Hebel.

© Reuters

Waffenruhe und Wahlen in Syrien: Frieden und Demokratie auf Syrisch

Assad kündigt Waffenruhe und Wahlen an. Dem muss man – mit aller Skepsis – trauen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Da bleibt nur, stark zu hoffen und sich zugleich mit Skepsis zu wappnen. Ein Widerspruch? Nein, der alltägliche Irrsinn in Syrien. Gäbe es ihn nicht – samt der Hoffnung wider alle schlechte Erfahrung –, wäre Syrien längst menschenleer und wäre nicht erst ein Viertel der Bürger aus dem Land geflohen.

Zwei Nachrichten, die Hoffnung auslösen: Machthaber Assad akzeptiert, erstens, den zwischen Russland und den USA ausgehandelten Waffenstillstand, der wiederum, wenn er hält, die Fortsetzung der Genfer Friedensgespräche ermöglichen soll. Zweitens hat Assad Parlamentswahlen für den 13. April angekündigt. Frieden plus Wahlen, die zu einer neuen Regierung führen können – das ist doch was, werden die Optimisten sagen.

Auch die Parlamentswahl ist doppeldeutig

Aber: Meint Assad das, was die Hoffenden mit seinen Ankündigungen verbinden? Die Feuerpause, die am Sonnabend um 0 Uhr beginnen soll, gilt nicht für alle Fronten. Der Kampf gegen die „Terrorgruppen“ IS und Al Nusra wurde ausgenommen. Viele Beobachter befürchten, das Assad-Regime werde die Klausel dazu missbrauchen, auch gegen andere Aufständische vorzugehen, wenn es sich Vorteile davon verspricht. Nach seiner Diktion sind alle Widerstandsgruppen „Terroristen“.

Auch deshalb gaben die meisten Experten der Waffenruhe kaum Chancen auf Dauer, als Russen und Amerikaner sie vor zwei Wochen aushandelten. Der Nutzen bestehe vor allem in einer kurzen Kampfpause, in der eingeschlossene Städte mit Medikamenten und Nahrung versorgt werden, hieß es. Selbst der russische Außenminister, der die Absprache ausgehandelt hatte, veranschlagte die Aussichten auf unter 50 Prozent.

Auch die Parlamentswahl ist, wenn man sie in den Verhandlungskontext stellt, doppeldeutig. Nach dem Fahrplan zum Frieden soll es in der Tat Wahlen geben, aber nicht jetzt, da Assad an der Macht ist, sondern nach erfolgreichen Friedensverhandlungen in Genf, in deren Folge eine Übergangsregierung unter Einbeziehung der Opposition die Macht von Assad übernehmen soll. Was werden das wohl für vorgezogene Wahlen sein, die Assad jetzt als Alternative ins Spiel bringt? Wer wird teilnehmen können, wer wird die Stimmen auszählen? Er strebt ein „demokratisches“ Votum an, das ihn legitimiert und an der Macht hält.

Ist also alles eine Farce, und die Hoffnung bleibt leer? Das wäre wiederum zu fatalistisch. Fortschritt in der Levante ist eine Schnecke, wird von Rückschlägen, Tricksen und Täuschen begleitet. Beschleunigen lässt er sich nur, wenn die Friedenswilligen die militärische Überlegenheit haben. Dann müssen die Verzögerer fürchten, dass ihre Verhandlungsposition mit jedem Tag schlechter wird.

Der Westen hat sich entschieden, seine Position in Syrien nicht militärisch zu verbessern. Die Folgen sind nun sichtbar. Besonders US-Präsident Barack Obama steht in der Kritik. Aber wäre ihm denn Lob sicher, wenn er Soldaten ins Gefecht geschickt hätte, um Assad zu stürzen, und er sich nach Afghanistan und Irak eine dritte Besatzung in einem islamischen Staat aufgehalst hätten? Hätte Deutschland eine solche Politik mit Soldaten unterstützt? Natürlich nicht.

Zum Preis der Zurückhaltung gehört: Da der Westen Assad nicht zwingen kann, bleibt nur die Hoffnung auf die Verhandlungen – gegen alle gut begründete Skepsis.

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