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Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien, muss seine Corona-Politik womöglich vor Gericht verantworten.

© Eraldo Peres/AP/dpa

Vorwurf schwerer Straftaten bei Corona-Politik: U-Ausschuss empfiehlt Anklage gegen Bolsonaro

Für mehr als 600.000 Menschen in Brasilien endete die Pandemie tödlich. Viele machen den Präsidenten verantwortlich. Nun drohen diesem juristische Konsequenzen.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik der brasilianischen Regierung hat Staatspräsident Jair Bolsonaro teils schwere Straftaten zugeschrieben und eine Anklage empfohlen.

Nach sechs Monaten Arbeit verabschiedete der Ausschuss den Abschlussbericht von Senator Renan Calheiros am Dienstag mit sieben zu vier Stimmen. Demnach wird Bolsonaro für mindestens neun Verbrechen verantwortlich gemacht - von Täuschung der Öffentlichkeit über Anstiftung zu Straftaten bis hin zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Der brasilianische Senator Renan Calheiros stellt den Abschlussbericht des Bolsonaro-U-Ausschusses vor.
Der brasilianische Senator Renan Calheiros stellt den Abschlussbericht des Bolsonaro-U-Ausschusses vor.

© Evaristo SA/AFP

Insgesamt sollen laut dem 1289-seitigen Bericht außer Bolsonaro 79 weitere Personen zur Verantwortung gezogen werden, darunter drei Söhne des Präsidenten, weitere Politiker und Geschäftsleute sowie zwei Unternehmen.

Der als Ergebnis sechsmonatiger Nachforschungen zusammengestellte Bericht des Senatsausschusses war bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht worden. Die Bolsonaro-Regierung habe im Kampf gegen die Corona-Pandemie „langsam gehandelt und die Bevölkerung absichtlich einem realen Risiko einer Masseninfektion ausgesetzt“, heißt es in dem Report.

[Lesen Sie hier mehr zum U-Ausschuss gegen Brasiliens Staatschef: Verantwortlich für Hunderttausende Tote – Schwerste Vorwürfe gegen Bolsonaro (T+)]

Der Senatsausschuss forderte nun auch den Obersten Gerichtshof des Landes auf, alle Konten Bolsonaros in den Onlinenetzwerken sperren zu lassen. Der Zugang des Präsidenten zu Youtube, Twitter, Facebook und Instagram soll demnach auf unbestimmte Zeit gesperrt werden, da dieser auf Facebook fälschlicherweise einen Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und Aids hergestellt hatte.

Mehr als 600.000 Corona-Tote

Bolsonaro weist jedoch alle Vorwürfe zu seiner Corona-Politik zurück. „Wir wissen, dass wir uns absolut nichts zuschulden kommen lassen“, sagte er in der vergangenen Woche. „Wir wissen, dass wir vom ersten Moment an das Richtige getan haben.“

Zuletzt überschritt das größte Land in Lateinamerika die Marke von 600.000 Corona-Toten. Das südamerikanische Land liegt damit weltweit an zweiter Stelle hinter den USA.

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Der Bericht soll an die Staatsanwaltschaft weitergereicht werden. Welche Folgen dieser haben wird und ob die Empfehlungen auch zu Anklagen führen werden, ist noch nicht absehbar.

In einem ersten Schritt wollen Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Bericht an Generalstaatsanwalt Augusto Aras übergeben, der von Bolsonaro ernannt wurde und den Präsidenten in der Vergangenheit oftmals protegiert hat. Befürchtet wird, dass die Arbeit von sechs Monaten im Sande verlaufen könnte.

Anfang vom politischen Ende?

Allerdings könnte das Vorgehen der Senatoren dem Präsidenten, der kommendes Jahr zur Wiederwahl antreten will, politisch schaden. Umfragen zufolge droht Bolsonaro bei der Wahl eine deutliche Niederlage gegen den linksgerichteten Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva.

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Der Untersuchungsausschuss hatte auf dem Höhepunkt einer außer Kontrolle geratenen Corona-Pandemie im April seine Arbeit aufgenommen. Die Brasilianer verfolgten den Ausschuss bisweilen wie eine Fernseh-Seifenoper. Auch wenn sie dabei nicht immer wirklich Neues erfuhren, so wurden doch die Ausmaße von bereits Bekanntem deutlich.

Bolsonaro hat sich bisher nicht impfen lassen und mit umstrittenen Äußerungen zu Impfstoffen bereits zuvor für Aufsehen gesorgt. Auch hat er die Gefahren durch das Coronavirus wiederholt kleinzureden versucht und Corona-Auflagen der brasilianischen Regional- und Kommunalbehörden wegen ihrer ökonomischen Auswirkungen kritisiert. (dpa, AFP)

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