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Meist auf eigene Kosten: Kassenpatienten müssen für neue Brillen oft tief in die Tasche greifen.

© Rolf Vennenbernd/ dpa

Vorstoß für 40 Millionen Sehbeeinträchtigte: Grüne wollen Krankenkassen für Brillen zahlen lassen

Wenn man eine Brille braucht, kann das teuer werden - weil die gesetzlichen Kassen meist gar nichts mehr dazuzahlen. Die Grünen wollen das jetzt ändern.

Die Grünen fordern, dass alle gesetzlich Versicherten von den Krankenkassen wieder ihre Brillen bezahlt bekommen. „Gutes Sehen darf kein privater Luxus sein“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, dem Tagesspiegel. Derzeit erhielten Kassenpatienten nur Unterstützung beim Brillenkauf, wenn sie „fast blind“ seien. Und selbst diese Zuschüsse seien „mickrig“ und mit hohem Aufwand verbunden.

"Gutes Sehen bedeutet Lebensqualität und Sicherheit"

„Wer zum Ausgleich von gesundheitlichen Einschränkungen im Alltag auf eine Sehhilfe angewiesen ist, sollte sich auf die gesetzliche Krankenversicherung verlassen können“, heißt es in dem Antrag, den die Grünen bereits im Bundestag eingebracht haben. „Gutes Sehen bedeutet Lebensqualität, Sicherheit und ist Voraussetzung für die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe.“ Bei den Brillengläsern – und nur um diese geht es – kämen „in einigen Fällen erhebliche Summen zusammen“. Für Geringverdiener oder Grundsicherungs-Empfänger ohne Finanzreserven seien neue Sehhilfen dadurch „schlicht unfinanzierbar“.

Damit die Kosten für die Krankenkassen nicht sprunghaft explodieren, stellen sich die Grünen einen schrittweisen Ausbau der Leistungen vor. Zunächst sollten nur Gläser mit mindestens fünf Dioptrien komplett bezahlt werden, lautet ihr Vorschlag. Für Fehlsichtigkeit ab zwei Dioptrien würde die Hälfte der Kosten übernommen. Das Ziel sei aber eine vollständige Erstattung für alle Sehbeeinträchtigten, betonte Klein-Schmeink. Und Empfänger von Transferleistungen, die gezwungen seien, den Kauf von Brillen aus ihrem Regelsatz zu bestreiten, müssten sofort entlastet werden.

Knapp die Hälfte der Deutschen ist sehbehindert

Da man die Kosten einer solchen Änderung nicht abschätzen könne, sei die Etappenlösung ein guter Kompromiss, argumentiert die Grünen-Expertin. Einen Anhaltspunkt für die finanzielle Dimension könnte der Blick in die Vergangenheit liefern: Bis zum Jahr 2004 zahlten die Kassen allen Versicherten je nach Stärke der Fehlsichtigkeit bis zu 100 Euro pro Glas. Die Ausgaben dafür beliefen sich auf 600 bis 800 Millionen Euro im Jahr.

Der Grünen-Vorstoß würde um einiges teurer. Zum einen, weil das Ziel die komplette Kostenerstattung ist. Zum andern, weil inzwischen mehr Menschen Sehhilfen benötigen. 40,1 Millionen Brillenträger gibt es hierzulande - bei den über 60-Jährigen liegt der Anteil der Brillenträger bei 92 Prozent. Nach Branchenangaben wurden im vergangenen Jahr 12,84 Millionen Brillen verkauft. Im Schnitt kostet eine Brille mit Einstärkengläsern derzeit 250 bis 450 Euro, mit Gleitsichtgläsern liegt die Spanne bei 500 bis 1500 Euro.

Zuschüsse gibt es bisher nur ab sechs Dioptrien

Der Brillenzuschuss wurde vor 15 Jahren wegen hoher Kassendefizite gestrichen. „Wenn auch aus der Zeit heraus verständlich, so war dies ein erheblicher Eingriff in das Leistungsversprechen der GKV, den es unter den Vorzeichen der heute ungleich besseren Finanzlage der GKV zu korrigieren gilt“, heißt es dazu in dem Grünen-Antrag.

Inzwischen nämlich verfügen die gesetzlichen Versicherer über rekordverdächtig hohe Rücklagen. Brillenzuschüsse gibt es bislang dennoch nur für Kinder und Jugendliche – und für Erwachsene mit extrem starker Sehbeeinträchtigung. Die Grenze liegt bei sechs Dioptrien – obwohl, wie Klein-Schmeink moniert, die internationale Definition einer schweren Sehbeeinträchtigung bereits bei fünf Dioptrien beginne. Die bisherigen Festzuschüsse reichen von zehn bis maximal 112 Euro pro Glas. Für Extras wie Entspiegelungen gibt es gar nichts.

Auch Optiker sollen Brillen verordnen dürfen

Gleichzeitig machen die Grünen bei dieser Gelegenheit noch ein weiteres Fass auf. Sie wollen, dass erstattungsfähige Brillen nicht mehr nur von Augenärzten, sondern künftig auch durch Optiker und sogenannte Orthoptisten verordnet werden können. Dadurch könne „eine Vielzahl nicht notwendiger Arztbesuche verhindert werden“, heißt es in ihrem Antrag. „Wir brauchen dringend eine Kompetenzerweiterung anderer augenbezogener Gesundheitsberufe“, sagte Klein-Schmeink. Details seien bis Ende 2020 durch eine Reformkommission zum Gesundheitsberufe-Recht zu klären.

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