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Könnten Sie mal bitte die Zigarette ausmachen? Clint Eastwood als Westernheld.

© PIOBS

Vorstoß der Drogenbeauftragten: Dampfende Colts oder: Wider die Zigaretten im Fernsehfilm

Rauchende TV-Figuren verführen zum Tabakkonsum, also weg damit. Wo soll das hinführen? Zum schmalen Grat zwischen der Vorfahrt fürs gute Vorbild und dem Verdacht auf Gehirnwäsche - ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Um die Welt ein bisschen gesünder zu machen, hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung angeregt, dass künftig in Fernsehfilmen weniger geraucht werden sollte. Weil der Anblick rauchender Darstellender zum Rauchen verführe, vor allem junge Leute, und Zigaretten schädlich sind, wie jeder weiß. Marlene Mortler hätte die Fernsehinhalte gern etwas vorbildhafter.

Auch die Deutsche Krebshilfe ist für weniger Tabakkonsum im Fernsehen und merkt an, dass vor allem Kommissare oft zur Zigarette griffen. Das ist erst recht kein vorbildhaftes Verhalten, da es sich bei den Kommissaren meist um die Helden des Films handelt, die als Staatsbeamte eine besondere Vorbildfunktion haben. Die Kommissare führen direkt zur nächsten Baustelle im Fernsehgeschehen: die vielen Kriminalfälle, derentwegen die meisten Kommissare letztlich rauchen. Schon der Blick ins TV-Programm – Mord und Totschlag auf allen Kanälen – ist an vielen Tagen geeignet, das Fürchten zu lehren. In der Logik von Mortler, die aus dem Fernsehbild Folgen fürs eigene reale Leben ableitet, beeinflusst die Krimidichte die psychische Verfassung des Fernsehvolks, weil es zur Annahme verführt wird, das Leben außerhalb seiner Fernsehstube sei gefährlich. Mit jedem Krimi, der sich im schlimmsten Fall an aktuelle Themen heranmacht, würde so das Gefühl der Unsicherheit wachsen.

Die leider nicht (mehr) zu beantwortende Frage ist: Was wäre dies für ein Land, wenn statt rauchender Mordfallermittler Alpakawolle verstrickende Bio-Landwirtinnen die Fernsehbildschirme beherrschten, die sich serienweise in romantischen Komödien wortwitzig und charmant-multikulturell um ein fett-, salz- und zuckerarmes, sportliches wie nachhaltiges Leben bemühen? Ist auszuschließen, dass dieses Land ein besseres wäre?

Ist "Aber bitte mit Sahne" sendefähig in einer adipösen Welt?

Das Archiv deutscher Lebensweisheiten zu dem Thema ist umfangreich. Von „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“ bis „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ (Marx) legt es Zusammenhänge nahe, die nach konsequenter Verpflichtung zum verantwortungsvollen Handeln, nach mehr Vorbildhaftigkeit verlangen. Der Cowboy Lucky Luke musste deswegen vor Jahren das Rauchen aufgeben und kaut statt auf einer halben Zigarette auf einem trockenen Grashalm herum. Gerade schneidet man den gefallenen Schauspielstar Kevin Spacey aus Filmen. Der Kalorienbomben-Hit „Aber bitte mit Sahne“ läuft dagegen weiter, ist das richtig? Soll man künftig adipositassensibler texten? Und was ist mit Filmen, in denen im Auto über rote Ampeln gerast wird? Mit Schnaps im TV? Hätte man gar Harald Juhnke nicht mehr feiern sollen, als bekannt wurde, dass er Alkoholiker ist?

Der Grat zwischen der Vorfahrt fürs gute Vorbild und Verdacht auf Gehirnwäsche ist schmal – die Grünen haben das unter dem Schlagwort Veggie-Day erlebt –, was nicht heißen soll, dass man ihn gar nicht suchen soll. Und in der Tat wünscht man sich bei manchen Filmen und auch sonstigem Publizierten, dass mehr über das Präsentierte nachgedacht worden wäre. Ob es die Zigarette angeht oder den ganzen Plot. Denn was, wenn unterkomplexe Geschichten zu unterkomplexem Denken verführen?

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