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Der russische Journalist Arkadi Babtschenko in der Mitte des Bildes mit dem Chef des ukrainischen Geheimdienstes SBU und dem ukrainischen Generalstaatsanwalt.

© dpa/ Efrem Lukatsky

Vorgetäuschter Mord an russischem Journalisten: Die Auferstehung des Arkadi Babtschenko

Plötzlich tauchte der totgesagte Kremlkritiker auf einer Pressekonferenz auf. Was hinter dem inszenierten Tod von Arkadi Babtschenko steht. Eine Analyse.

Von Oliver Bilger

Knapp einen Tag lang galt der russische Journalist und Kremlkritiker Arkadi Babtschenko als tot. Dann kam die völlig überraschende Wende. Zuvor hatte es geheißen, Babtschenko sei Dienstagabend, nach der Rückkehr von einem Einkauf, im Treppenhaus seines Apartmenthauses von einem unbekannten Schützen mit drei Schüssen in den Rücken niedergestreckt worden. Der 41-Jährige sei auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben, erklärte die Polizei.

Am Mittwochabend tauchte das vermeintliche Opfer plötzlich wieder auf. Babtschenko lebt. Er trat bei einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz in Kiew auf und entschuldigte sich für die falschen Nachrichten über seinen angeblichen Tod.

Der angebliche Mord sei eine über Monate vorbereitete Aktion gewesen, um Anschlagspläne des russischen Geheimdienstes zu enttarnen, sagte der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU, Wasyl Hryzak. Die Inszenierung des Mordes sei erfolgreich gewesen: Der mutmaßliche Organisator sei festgenommen worden.

Dem angespannten Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine dürfte der Fall kaum dienen. Die beiden Nachbarländer befinden sich seit Jahren in einem nicht deklarierten Krieg, der in den vergangenen Tagen erneut an Intensität gewonnen hatte.

Nach dem angeblichen Mord behaupteten die ukrainischen Ermittler, es gebe eine Verbindung zwischen der Tat und der kritischen Arbeit des russischen Journalisten, sagte der Polizeichef von Kiew, Andri Kryschtschenko. Ministerpräsident Wladimir Groisman machte daraufhin Moskau verantwortlich. „Ich bin überzeugt, dass die russische totalitäre Maschinerie ihm seine Ehrlichkeit und Prinzipientreue nicht verziehen hat“, schrieb er auf Facebook.

Moskau wies den Vorwurf sogleich zurück. Außenminister Sergej Lawrow sprach von einer anti-russischen Kampagne. Es sei traurigerweise Mode geworden, nach solchen Vorfällen sofort Russland zu beschuldigen, sagte Lawrow. Das liege daran, dass sich die Ukraine „einer völligen Straffreiheit seitens ihrer westlichen Aufpasser“ erfreue. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von „russophoben Stuss“.

In Tschetschenien gekämpft

Babtschenko ist einer der bekanntesten Kriegskorrespondenten Russlands. Er hatte als Soldat in Tschetschenien gekämpft und anschließend als Journalist gearbeitet. Anfang 2017 war Babtschenko aus seiner Heimat geflohen, weil er um sein Leben fürchtete, nachdem er Moskaus Politik in der Ukraine und Syrien kritisiert hatte. Dem Kreml hatte er etwa vorgeworfen, prorussische Rebellen in der Ostukraine militärisch zu unterstützen. „Wie so viele Dissidenten bin ich an Schmähungen gewöhnt“, sagte er. „Die jüngste Kampagne gegen mich war so persönlich, so unheimlich, dass ich gezwungen war, zu fliehen“, begründete er seine Entscheidung auszuwandern.

Die Ukraine ist ein Exil vieler regierungskritischer Russen. Aktivisten, Politiker und Journalisten suchen Zuflucht. Allerdings verfolgen Drohungen und Gewalt die Emigranten auch über die Grenze hinweg, wie Morde an Kritikern zeigen. Die Nachricht vom Tod Babtschenkos hatte zunächst international für Bestürzung gesorgt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach in Kiew von einer „traurigen und erschütternden Nachricht“. Steinmeier war zu einem zweitägigen Besuch in der Ukraine und sicherte der Staatsführung zu: „Sicherheit und territoriale Integrität der Ukraine liegen uns am Herzen.“

Das Minsker Abkommen sei bisher der einzige Weg, „mühsam aber Schritt für Schritt voranzukommen“, um den Krieg der Nachbarländer mit mehr als 10000 Toten zu beenden. Besonders in den vergangenen Tagen häuften sich die Verstöße, mehrere Soldaten, Separatisten und Zivilisten starben. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen Mitte Mai von der „bislang schlimmsten Woche in diesem Jahr“. Die Beobachter zählten 7700 Verstöße gegen die Waffenruhe innerhalb weniger Tage. (mit rtr/dpa)

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