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Steffi Lemke hat vor drei Jahren die erste Kenia-Koalition auf Landesebene in Sachsen-Anhalt mitverhandelt.

© Johannes Stein/dpa

Vorbild Kenia in Sachsen-Anhalt: Erst knirscht es zwischen Grünen und CDU, dann wird regiert

Wahrscheinlich gibt es bald Schwarz-Grün-Rot in Sachsen. So ein Bündnis existiert bereits im Nachbar-Bundesland – dort haben sich die Parteien zusammengerauft.

Wenn Spitzen-Grüne in diesen Tagen über eine Kenia-Koalition in Sachsen sprechen, ist viel von „Verantwortung“ die Rede. Im Wahlkampf von Ministerpräsident Michael Kretschmer noch als „Verbotspartei“ geschmäht, müssen die Grünen sich darauf einstellen, schon bald mit dem CDU-Mann an einem Verhandlungstisch zu sitzen.

Grünen-Chef Robert Habeck sagt „schwierigste“ Gespräche voraus, und auch die Spitzenkandidatin der sächsischen Grünen, Katja Meier, macht sich keine Illusionen: Es werde „sicher nicht einfach“ mit einer CDU, die in den letzten Jahren „immer ganz bewusst nach rechts geblinkt hat“.

Offiziell werden die sächsischen Grünen bei einer Parteiratssitzung am Samstag beschließen, ob sie bereit für Sondierungsgespräche mit CDU und SPD sind. Faktisch wissen alle Beteiligten, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als miteinander zu reden.

Eine Regierungsmehrheit ohne AfD gibt es ansonsten in Sachsen nicht. Grünen-Chefin Annalena Baerbock redet ihren Parteifreunden Mut zu: Wenn die Grünen etwas verändern wollten, müssten sie bereit sein, „auch mit schwierigen Partnern zu reden“.

Nicht ohne Reibungen

Doch gehen die Grünen mit Kenia nicht auch ein Risiko ein? Die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke hält ein solches Bündnis zwar für eine „schwierige Konstellation“. Man solle die Differenzen aber auch nicht überbewerten, sagt sie.

Die gebürtige Dessauerin und frühere Bundesgeschäftsführerin der Grünen hat vor drei Jahren in Sachsen-Anhalt das erste Bündnis von CDU, SPD und Grünen auf Landesebene mitverhandelt. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass es „Reibungen“ gebe, weil die politischen Unterschiede zwischen CDU und Grünen relevant seien.

Letztlich handele es sich aber um eine „normale Zusammenarbeit“, die sich auch nicht grundsätzlich von der mit der CDU in Hessen oder Baden-Württemberg unterscheide. „Auch wenn es öfter knirscht: Ohne uns Grüne wäre diese Regierung viel instabiler“, sagt Lemke. Die „Friktionen“ zwischen den Koalitionspartnern könne man allerdings definitiv reduzieren. „Das würde auch das Ansehen der Regierung heben.“

Schon mehrfach gab es in Sachsen-Anhalt massiven Ärger. Erst ließen die Grünen die Koalition beinahe platzen, weil manche in der CDU Verabredungen zum „Grünen Band“ infrage stellten, obwohl der Schutz des innerdeutschen Grenzstreifens als „nationales Naturmonument“ im Koalitionsvertrag fest verabredet war.

Ähnlich rumorte es, als im Sommer zwei CDU-Landtagsabgeordnete eine Annäherung an die AfD forderten. Deren Wähler hätten schließlich ähnliche Ziele wie die der CDU, schrieben sie in einer „Denkschrift“. Es müsse wieder gelingen, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“.

Eine Provokation nicht nur für die Grünen, sondern auch für Ministerpräsident Reiner Haseloff und die Teile der CDU, die Abstand zur AfD halten wollen. Eine Distanzierung folgte vor wenigen Tagen: In einem gemeinsamen Antrag fordern die Regierungsfraktionen, entschiedener gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus vorzugehen.

Grüne erwarten klare Abgrenzung der CDU von der AfD

Ähnliche Auseinandersetzungen könnten demnächst in Sachsen drohen. Zwar habe sich Kretschmer immer klar von der AfD abgegrenzt, sagt die Grünen-Politikerin Meier. Das erwarte sie nun aber auch von der Sachsen-CDU. Grünen-Chefin Baerbock sagte, mit den Grünen werden es keinen neuen Tagebau in der Braunkohle geben. Außerdem sei eine bessere Infrastruktur für die ländlichen Räume notwendig.

Die Grünen in Sachsen-Anhalt hätten „glasklar“ entlang von Inhalten verhandelt und diese auch im Koalitionsvertrag präzise verankert, sagt Lemke. „Man wird in einer Regierung immer daran gemessen, was man umsetzt.“

Bei der Wahl in zwei Jahren hätten die Grünen einiges vorzuweisen, ist sie überzeugt: beim Naturschutz, in der Umweltpolitik, beim Kampf gegen Rechtsextremismus und der Weiterentwicklung von demokratischen Prozessen. Die Landesregierung habe außerdem die Sparorgien in der Verwaltung und an den Hochschulen beendet – es sei mehr Geld für Lehrer und Polizisten bereitgestellt und Ausbildungsplätze geschaffen worden. „Das spürt man im Land durchaus.“

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