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Horst Seehofer (CSU) hatte Medien über den Zugriff vorab informiert.

© Michael Kappeler/dpa

Exklusiv

Vorabinformation an Medien zu Hisbollah-Verbot: Staatsanwaltschaft prüft Seehofers Razzia-Verrat an „Bild“

Auf den Innenminister könnten Ermittlungen wegen Geheimnisverrats zukommen. Er hatte exklusiv Informationen an die „Bild“ und andere gegeben.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) droht möglicherweise ein Strafverfahren wegen seiner umstrittenen Öffentlichkeitsarbeit beim Hisbollah-Verbot. Wie berichtet, hatte Seehofer den Chefredakteur der „Bild“ sowie weitere Medienvertreter exklusiv vorab über geplante Polizeirazzien informiert. Die „Bild“ konnte daraufhin am Tag des Verbots im April 2020 frühzeitig von den Einsätzen in ihrem Videokanal berichten.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat jetzt im Hinblick auf den Anfangsverdacht der Verletzung eines Dienstgeheimnisses „einen Prüfvorgang angelegt“, bestätigte Behördensprecher Martin Steltner dem Tagesspiegel. Unklar ist unter anderem auch, ob sich die „Bild“ an die vom Ministerium vorgegebene Sperrfrist gehalten hat.

Auch Ex-Minister Friedrich kam so in Bedrängnis

Sollte ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet war, könnte dies den Minister in Bedrängnis bringen. So war 2014 der damalige Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zurückgetreten, nachdem ihn die Staatsanwaltschaft ebenfalls wegen Geheimnisverrats ins Visier genommen hatte. Friedrich hatte in seiner Amtszeit als Innenminister ein Jahr zuvor den damaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über ein Strafverfahren gegen den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy informiert.

Seehofers zweifelhafte PR-Maßnahme war durch eine TV-Dokumentation über die „Bild“ beim Streaming-Anbieter Amazon zur Jahreswende bekannt geworden. Dort war zu sehen, wie Seehofer „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt ins Ministerium einlud, um ihn in seine Pläne für das Betätigungsverbot der schiitischen Miliz einzuweihen.

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Die Oppositionsfraktionen im Bundestag hatten Seehofer für seine Vorab-Information kritisiert und dazu aufgerufen, das Vorgehen aufzuklären und rechtlich zu prüfen. Die Polizeieinsätze könnten dadurch gefährdet werden, hieß es. Zudem entstehe der Eindruck, der Minister wolle sich eine gefällige Berichterstattung über sein Handeln verschaffen.

„Durchstechen“ kann strafbar sein

Grundsätzlich kann das „Durchstechen“ solcher Informationen an Medien strafrechtlich verfolgt werden. Wer als Amtsträger unbefugt ein Dienstgeheimnis offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, kann laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.

Auch ein Minister als oberster Verantwortlicher kann daher einen Geheimnisverrat begehen, sagt der frühere Strafrichter am Bundesgerichtshof und Strafgesetzbuch-Kommentator Thomas Fischer. Er zweifelt aber daran, dass durch amtliche Vorab-Informationen an ausgewählte Medien „wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ werden, wie im Gesetz beschrieben. Grund sei, dass die Presse das anvertraute Geheimnis in aller Regel für sich bewahre, bis es offiziell bekannt gegeben wird.

Bei Seehofer könnte es anders aussehen

Im Fall von Seehofer und „Bild“ könnte der Fall jedoch anders liegen. So hatte das Bundesinnenministerium alle beteiligten Medien offenbar auf eine Sperrfrist verpflichtet, einschließlich „Bild“, für die es dem Ministerium zufolge „keine Sonderregelungen“ gegeben habe.

Allen sei mitgeteilt worden, dass „die erste öffentliche Information zu dem Betätigungsverbot und den Einsatzmaßnahmen durch das Bundesinnenministerium erfolgen werde“. Die entsprechende Nachricht setzte das Ministerium am 30. April um kurz vor halb neun Uhr morgens von seinem Twitter-Account ab.

„Bild“ wollte sich auf Anfrage nicht äußern

„Bild“ aber meldete die Razzien möglicherweise früher. In der Amazon-Doku wird geschildert, wie sich Reporter schon in den frühen Morgenstunden an den Schauplätzen in Berlin, Bremen, Münster und Dortmund postieren und einer Zeit-Einblendung zufolge ab 6.15 Uhr zumindest aus Berlin angeblich „live“ berichten. Auch die Deutsche Presse-Agentur verschickte an diesem Tag bereits um kurz vor sieben Uhr morgens eine Eilmeldung und bezog sich darin ausdrücklich auf „Bild“-Berichte.

Daher dürfte fraglich sein, ob Medien tatsächlich stets die Gewähr dafür bieten, dass anvertraute Razzia-Pläne auch wirklich geheim bleiben. Das Bundesinnenministerium erklärte, ein Verstoß gegen die verabredete Sperrfrist sei „nicht festgestellt“ worden. Die „Bild“ wollte sich auf Anfrage zu dem Geschehen nicht äußern. Die Staatsanwaltschaft muss dies nun näher untersuchen. Eine Entscheidung, ob ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten sei, werde wohl erst in einigen Wochen getroffen, hieß es.

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