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Recep Tayyip Erdogan will nicht, dass die USA weiter Kurden in Syrien bewaffnen.

© AFP

Vor Treffen mit Trump in USA: Erdogan droht mit Ausstieg aus Anti-IS-Koalition

Die Begeisterung der Türkei für Trump ist längst Ernüchterung gewichen. Vor dem Besuch in den USA versucht Erdogan sogar, Druck aufzubauen.

Kurz vor seinem ersten Treffen mit US-Präsident Donald Trump hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit dem Ausstieg seines Landes aus der internationalen Koalition zur Bekämpfung des „Islamischen Staates“ (IS) gedroht. Erdogans Warnung soll Trump dazu bringen, die bereits angelaufene Bewaffnung kurdischer Kämpfer in Syrien zu stoppen, doch der US-Präsident dürfte sich kaum von dem Plan abbringen lassen. Die Frage ist, ob sich die beiden Präsidenten bei ihrem Gespräch in Washington an diesem Dienstag auf einen Weg einigen können, der die schwerste Krise in den Beziehungen zwischen beiden Ländern seit mehr als einem Jahrzehnt beendet.

Trumps Politik im Norden Syriens stellt aus Erdogans Sicht einen Verrat am Nato-Partner Türkei dar. Seit Jahren warnt Ankara vor einer Stärkung der syrischen Kurdenmiliz YPG, der Syrien-Vertreterin der verbotenen Terrororganisation PKK. Für die Amerikaner sind die Kurden jedoch die wichtigsten lokalen Partner im Kampf gegen den IS. Eine von den Kurden dominierte Rebellentruppe soll in Kürze die IS-Hauptstadt Rakka angreifen. Berichten zufolge aus Syrien steht die von den USA unterstützte Streitmacht nur noch wenige Kilometer von Rakka entfernt. Für Trump ist ein militärischer Sieg über den IS das wichtigste Ziel im Syrien-Konflikt.

Vergangene Woche hatte der US-Präsident deshalb die Lieferung schwerer Waffen wie Panzerfäusten und Granatwerfern an die YPG angeordnet. Erdogan erklärte das Verhalten Trumps damit, dass der neue US-Präsident offenbar unter dem Einfluss von Beratern des – von Erdogan ungeliebten – Amtsvorgängers Barack Obama stehe.

Erdogan will die strategische Bedeutung der Türkei betonen

Nun will Erdogan im persönlichen Gespräch versuchen, Trump umzustimmen. Als Druckmittel bringt Erdogan die Bedeutung seines Landes für die USA ein. Strategische Partner sollten gemeinsame Entscheidungen treffen, sagte er vor seiner Reise nach Washington türkischen Journalisten. Wenn jedoch ein Schatten auf die Allianz falle, dann werde die Türkei „allein einen Ausweg finden müssen“, sagte der türkische Präsident. Sein Land könne in Syrien ebenso gut mit Partnern wie den arabischen Golf-Staaten agieren wie mit den Nato-Partnern in der Anti-IS-Allianz. Mit der Warnung droht Erdogan indirekt damit, die US-Luftwaffe vom türkischen Stützpunkt Incirlik nahe der syrischen Grenze zu verbannen. Das türkische Besuchsverbot für deutsche Politiker in Incirlik könnte auch zum Abzug der deutschen Kampfjets von der Basis führen.

Erneut unterstrich Erdogan die türkische Forderung, den Angriff auf Rakka nicht von den kurdisch dominierten Syrisch-Demokratischen Streitkräften (SDF) ausführen zu lassen, sondern von arabischen Rebellen in der Freien Syrien Armee (FSA). Nach Ansicht Washingtons ist die FSA aber zu schwach für die Aufgabe. Nach Medienberichten hat die Lieferung amerikanischer Waffen an die Kurden bereits begonnen. Am Wochenende rückten SDF-Truppen in der Umgebung von Rakka weiter vor.

Angesichts des Interessenkonfliktes gehe es beim Treffen von Erdogan und Trump für die amerikanische Seite vor allem um Schadensbegrenzung, sagte der Nahost-Experte Howard Eissenstat von der Universität St. Andrews im US-Bundesstaat New York dem Tagesspiegel. Deshalb wurde vor dem Besuch über Vereinbarungen spekuliert, mit denen beide Seiten das Gesicht wahren könnten. Eine Möglichkeit besteht in einer Zusage Trumps für eine Rolle der Türkei bei der Sicherung von Rakka nach Vertreibung des IS, wie der türkische Exil-Journalist Emre Uslu in Washington sagte. Damit könnte Erdogan sicherstellen, dass die Kurden den Angriff auf Rakka nicht zu einer Ausweitung ihres Territoriums in Nord-Syrien nutzen.

Ankara ist verärgert, dass die USA Gülen nicht ausliefern

Erdogans Regierung hatte sich von der Amtsübernahme Trumps eine Verbesserung der Beziehungen zu Washington versprochen. Anders als bei Obama spielen rechtsstaatliche Defizite in der Türkei unter Trump keine Rolle; der amerikanische Präsident war der einzige westliche Spitzenpolitiker, der Erdogan zum Sieg bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum im April gratulierte.

Doch die Begeisterung für Trump ist mittlerweile Ernüchterung gewichen. Anders als von Ankara erwartet, macht die Trump-Regierung den Türken keine konkrete Hoffnung auf eine rasche Auslieferung des in Pennsylvania lebenden Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen. Erdogan macht Gülen für den Putschversuch des vergangenen Jahres verantwortlich, doch die bisher von der Türkei vorgelegten Beweismittel reichen aus Washingtoner Sicht nicht aus, um amerikanische Gerichte zu überzeugen. Wenn das so sei, dann werde die Türkei in Zukunft auch keine US-Auslieferungsanträge mehr beantworten, drohte Justizminister Bekir Bozdag vergangene Woche bei einem Gespräch mit seinem amerikanischen Kollegen Jeff Sessions.

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