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Eine Nachfolge für Angela Merkel hat die CDU noch nicht gefunden.

© Maurizio Gambarini/ dpa

Vor Gesprächen mit der SPD: Die CDU ist nur noch ein Schein von Stabilität

Im politischen Trubel der Regierungsbildung wirkt die CDU derzeit wie ein Fels in der Brandung. Doch der Fels wackelt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Der sprichwörtliche Fels in der Brandung zu sein, kann ein ausgesprochen komfortables Gefühl bescheren – es sei denn, der Brocken ruht auf Sand. Dieses Bild beschreibt die aktuelle Sicht der CDU auf sich selbst. Gemessen an dem Wirbel, den andere veranstalten, sind Angela Merkel und ihre Partei bisher erstaunlich stabil aus einer immerhin historischen Wahlniederlage hervorgegangen. Das Jamaika-Aus klebt an der FDP, die Frage nach der nächsten großen Koalition zerreißt die SPD; nur die Christdemokraten wirken entschlossen, das Land jetzt einfach mal weiter zu regieren, anstatt einen auf Seelchen zu machen. So weit also alles bestens, wäre da nicht die Sorge, dass der Grund weniger fest ist, als er scheint.

Merkel geht absehbar in letzte Amtszeit

Ganz unberechtigt ist die Sorge nicht. Merkel geht absehbar in ihre letzte Amtszeit. Aber so sehr sich viele an der Chefin reiben, so wenig können sie sie ersetzen. In der Ära Helmut Kohl stand zur vergleichbaren Zeit ein Wolfgang Schäuble bereit. Es spricht Bände, dass wichtigen Christdemokraten bei dem Gedankenspiel, wer Merkel im Notfall von heute auf morgen ersetzen könnte, als Erster immer noch der nunmehrige Bundestagspräsident einfällt. Die aktive Generation ist in Merkels Alter, die etwas Jüngeren haben noch wenig vorzuweisen und beim aufmüpfigen Jungvolk um Jens Spahn reicht die Kraft gerade mal für Vorstöße aus dem Gebüsch.

Zu dieser völlig offenen Personalfrage gesellen sich offene Richtungsfragen. Der Hauptkampfpunkt der vergangenen zwei Jahre gehört aber interessanterweise nicht mehr dazu. Die Einigung auf die Quasi-Obergrenze zwischen CDU und CSU hat sich als stabil genug erwiesen, sogar die Jamaika-Sondierungen zu überstehen. Merkel hat mit dem Eingeständnis, dass die Flüchtlingsfrage eine Hauptursache für die Wahlschlappe war, die letzte Luft aus dem Thema gelassen.

Für künftige Wahlen – die Bayern-Wahl jetzt mal ausgenommen – sollte es keine alles entscheidende Rolle mehr spielen. Der Abwehrkampf gegen die AfD verlagert sich auf andere Felder. Obwohl Jamaika ein interessantes Experiment gewesen wäre, ist eine große Koalition dafür sogar tauglicher. Dass sie automatisch die Ränder stärke, gehört ins Reich des politikwissenschaftlichen Aberglaubens. Die AfD ist nun wirklich nicht wegen der GroKo zu Kräften gekommen.

Richtungskonflikte als Haltungsfragen

Ein erneutes Bündnis der Volksparteien hätte durchaus die Chance, wieder stärker zur Mitte hin zu integrieren, wenn es Probleme, die dort drängen, zu lösen sich vornimmt. In der CDU-Führung hat das Projekt darum eine starke Anhängerschaft.

Aber es gibt eben auch die kleine Gruppe der Dissidenten, die einer Minderheitsregierung das Wort redet. Dahinter steckt ein Positionskampf. Die Christdemokraten waren immer hin- und hergerissen zwischen Machtpragmatismus und Sehnsucht nach ideologischem Halt. Richtungskonflikte kommen deshalb in der CDU gerne als Haltungsfragen daher: hier die Sachwalter vorgeblicher Grundsätze, dort die angeblich Prinzipienlosen.

Wer „Minderheitsregierung“ sagt, will glauben machen, er erspare der Union damit Zugeständnisse an die SPD. Das Gegenteil ist wahr – die Minderheit muss jede Mehrheit teuer erkaufen. Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, hinterher beklagen zu können, wie hoch der Preis fürs Regieren war, und so am Felsen immer wieder rumzustupsen.

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