zum Hauptinhalt
Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde vor einem Jahr vergiftet. Er überlebte nur knapp

© Alexander Zemlianichenko,dpa

Vor einem Jahr wurde der Kreml-Kritiker vergiftet: Zyniker Putin macht Nawalny unsichtbar

Der russische Präsident hat Nawalny die Zugänge zu den sozialen Netzwerken genommen. Auch so kann man Gegner im digitalen Zeitalter ausschalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Herold

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auf ihrer Abschiedstournee. An diesem Freitag wird sie von Kremlchef Wladimir Putin in Moskau erwartet. Das wird schwierig, die politischen wie die persönlichen Beziehungen sind zerrüttet.

Gleichzeitig sind geopolitische Fragen zu erörtern: Was folgt auf die Rückkehr der Taliban? Wie lange will der Kreml seinen furchtbaren Satrapen Lukaschenko in Belarus noch an der Macht halten? Wie lange soll der offen und verdeckt geführte Krieg gegen die Ukraine noch dauern? Dass dieser Besuch am ersten Jahrestag der versuchten Vergiftung des Kreml-Kritiker Alexej Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok stattfindet, solle auch nicht vergessen werden, hieß es im Vorfeld.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das wird Putin kalt an sich abtropfen lassen. Es ist diesem Zyniker egal, was Merkel dazu vorzubringen hat. Das geht sie seiner Meinung nach nichts an. Bisher ist dem Westen nicht eingefallen, wie dem Oppositionellen zu helfen wäre. Und das wird auch so bleiben.

Zugleich verschwindet Nawalny allmählich aus dem öffentlichen Bewusstsein. Womit Putin sein Ziel erreicht hätte – so wie schon bei früheren Kritikern. Beispielsweise Michail Chodorkowski: Der Oligarch sendet aus seinem Schweizer Exil Botschaften, die in Russland kein Echo mehr finden. Oder Schach-Weltmeister Garri Kasparow, der in seiner Wahlheimat USA auf Twitter zuletzt mehr gegen Trump als gegen Putin zu sagen hatte.

Mit verzweifeltem Mut nach Russland zurück

Nawalny mundtot zu machen, war schwieriger. Der hatte den verwegenen, auch verzweifelten Mut, nach seiner ärztlichen Rettung in Deutschland das mögliche Exil auszuschlagen und nach Russland zurückzukehren. Eben weil er nicht wie Chodorkowski und Kasparow in der Bedeutungslosigkeit landen wollte. Doch auch Nawalny ist gescheitert.

Zunächst, weil Präsident Putin – erwartbar – nicht davor zurückschreckt, wie in den alten Zeiten die Macht des Repressionsapparates einzusetzen: Nawalny sitzt nach einem absurden Prozess seit mehr als 200 Tagen in verschärfter Lagerhaft, und er hat noch Jahre vor sich. Gerade erst wurde ein neues Verfahren eröffnet.

Die Mächtigen im Kreml haben aber auch erkannt, dass das archaische Mittel der Repression zwar furchtbar ist und abschreckt, aber nicht ausreicht. Sie wissen, dass sich Nawalnys Ausstrahlung nicht allein aus physischer Präsenz speiste.

Im digitalen Zeitalter hängt die politische Wirksamkeit einer Person auch von deren permanenten Aufploppen in der digitalen Öffentlichkeit ab, in den sozialen Netzwerken. Deshalb hat der Kreml dem Oppositionspolitiker und ihm nahestehenden Organisationen den Zugang zu Onlinekanälen inzwischen genommen. Putin lässt Nawalny digital verschwinden, er macht ihn unsichtbar. Auch so kann man Gegner ausschalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false