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US-Präsident Barack Obama.

© REUTERS

Vor der Rede an die Nation: Obama trägt Verantwortung für das Phänomen Trump

Am Dienstag zieht Barack Obama ein Resümee seiner Amtszeit. Er hinterlässt ein tief gespaltenes Land. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

In dieser Woche geht es um Amerikas Zukunft. Zwei wortgewandte Männer wollen darüber sprechen, an die Adresse der Bevölkerung. Der eine, Barack Obama, tritt am Dienstagabend für seine letzte Rede an die Nation vor den Kongress. Im Kapitol wird er die Fortschritte seiner sieben Jahre an der Spitze schildern. In Iowa versammelt am selben Tag Donald Trump, der Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur, wahrscheinlich wieder einmal Tausende. Er schart sie um sich mit dem einen Ziel: alles zunichte zu machen, was Obama geschaffen hat. Trump ist auch die Antwort auf sieben Jahre entschlossener Reform im Weißen Haus.

Er hinterlässt das Land nicht in einem guten Zustand

Akribisch feilt Obama an seinem Vermächtnis. Längst präsentiert das Weiße Haus zur Rede online, was Obama hofft, später in den Geschichtsbüchern wiederzufinden: seine Erfolge bei der Stabilisierung der Wirtschaft, in der Klimapolitik, der Außenpolitik, der Gesundheitsfürsorge und bei sozialem Fortschritt. Für das Amerika, wie Obama in einer Videobotschaft sagt, „an das wir glauben“.

Die Krankenversicherung ist eine historische Tat. Obama hat Bildung wieder zugänglich gemacht und das Land der Klimaleugner zu den Pariser Beschlüssen geführt. Er hat die USA nach Kuba geöffnet und mit dem Iran einen hoffnungsvollen Prozess in Gang gesetzt. Er, einstmals entzaubert, wird, wenn die Geschichte ihm seine historische Politur verliehen haben wird, als herausragender Reformer in der Reihe der US-Präsidenten stehen. Aber nur weil Obama die guten Taten wie Murmeln zählen kann, heißt das nicht, dass er sein Land, geschweige denn die Welt, in gutem Zustand hinterlässt. Das Gegenteil ist der Fall.

Wenn Donald Trump im Vorwahlkampf durch die USA tourt, strömen überall Tausende zu seinen Auftritten. Diese sind unheimlich und beklemmend geworden. Dumpfe Sprechchöre, fremdenfeindlich und voller Hass, sind dort zu hören. Junge und Alte bejubeln ihn, Männer und Frauen, fast alle weiß. Zu Beginn erschien das Ganze als skurrile Show. Doch Trump hat eine hasserfüllte Revolte gegen das gute Amerika ausgerufen. Und genügend Menschen hören auf ihn. Ihre Bereitschaft, dem Populisten Trump zu folgen, ist auch ein Ergebnis davon, dass Obama sie in den vergangenen sieben Jahren nicht erreicht hat.

Für das Desaster in Syrien trägt Obama einen Teil der Verantwortung

Obama hat entschlossen die politischen Ziele verfolgt, die er sich vorgenommen hatte; eben für „das Amerika, an das wir glauben“. Langfristig wird daraus – hoffentlich – noch viel Gutes erwachsen. Aber zunächst hinterlässt er ein Land, das tiefer gespalten ist als zuvor. Auch außenpolitisch hat sein Paradigmenwechsel die Welt nicht zu einem besseren Ort gemacht. Mit begründeter Skepsis sieht Obama die kriegerische Rolle Amerikas der vergangenen Jahrzehnte. Mindestens für die westlichen Partnernationen jedoch bedeutet die abrupte US-amerikanische Enthaltsamkeit eine derzeit kaum zu bewältigende Verantwortung. Für das Desaster in Syrien trägt Obama mit seiner nach innen gerichteten Verteidigungspolitik einen Teil der Verantwortung.

Obama ist seiner Linie treu geblieben. Er wollte durchsetzen, was er für das Richtige hält, hat den Folgen aber nur ungern Beachtung geschenkt. An der Person Trump wird sich auch entscheiden, ob zu Obamas Vermächtnis ein Nachfolger gehört, der für das exakte Gegenteil steht.

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