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Bloß nicht übermütig werden, lautet die Devise von Tarek Al-Wazir.

© Arne Dedert/dpa

Vor der Landtagswahl am Sonntag: Tarek Al-Wazir beflügelt die Grünen in Hessen

Umfragen prognostizieren für die Grünen bei der Landtagswahl in Hessen am Sonntag bis zu 20 Prozent - auch dank des Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir.

Tarek Al-Wazir könnte jetzt auftrumpfen, aber er tut es nicht. Die Umfragewerte der Grünen in Hessen sind auf Rekordniveau, manche Institute sehen die Partei knapp eine Woche vor der Landtagswahl sogar vor der SPD. „Spreche ich mit dem zukünftigen Ministerpräsidenten?“ will die Moderatorin des Morgenmagazins von ihm wissen. Al-Wazir, seit 2013 stellvertretender Ministerpräsident in Hessen, verzieht das Gesicht nur leicht. „Sie sprechen mit dem Spitzenkandidaten der hessischen Grünen“, sagt er.

Bloß nicht übermütig werden, lautet seine Devise. Stimmungen seien noch keine Stimmen, sagt er immer wieder. Dabei gäbe es Grund zur Euphorie: Al-Wazir hat es geschafft, nach fünf Jahren Schwarz-Grün zum beliebtesten Landespolitiker in Hessen aufzusteigen.

Wenn es gut läuft, könnten seine Grünen am Sonntag das Bayern-Ergebnis noch einmal schlagen: Während sie bei der letzten Landtagswahl in Hessen noch 11,1 Prozent erzielten, könnten es nun Umfragen zufolge bis zu 20 Prozent werden. Noch ist offen, auf welches Regierungsbündnis es künftig herausläuft.

Tarek Al-Wazir ist bodenständig, unaufgeregt und sachkundig

Doch eines ist schon jetzt absehbar: An den Grünen führt kaum ein Weg vorbei. Und ganz vielleicht wäre sogar ein Linksbündnis unter einem Ministerpräsidenten Al-Wazir denkbar.

Bei den Bundes-Grünen gibt es welche, die diesen Gedanken äußerst reizvoll finden. Al-Wazir jedoch will darüber nicht nicht spekulieren. Seine Art, Politik zu machen, ist bodenständig, unaufgeregt und sachkundig, manche würden seinen Stil vielleicht langweilig nennen.

Der 47-Jährige mit dem grauen Bürstenhaarschnitt steht prototypisch für den Erfolgskurs der Partei. Je krawalliger CSU, CDU und SPD auf Bundesebene agieren, desto größer wird offenbar die Sehnsucht nach solider, geräuschloser Politik. Al-Wazir sieht darin auch eine Erklärung für die momentane Stärke der Grünen – „weil sie eben nicht um sich selbst kreisen“, wie er sagt. In den sozialen Netzwerken wirbt die Partei offensiv damit: Wer in Hessen kein „GroKo-Chaos“ wolle, müsse grün wählen.

Als Al-Wazir im Herbst 2013 den schwarz-grünen Koalitionsvertrag unterschrieb, konnte er nicht ahnen, dass seine Partei fünf Jahre später gestärkt aus diesem Bündnis hervorgehen würde. Doch Hessen war das erste Flächenland, das sich auf dieses Experiment einließ, angesichts einer tiefschwarzen CDU hielten manche bei den Grünen das für ein Abenteuer.

Seine Muttern sah Schwarz-Grün sehr skeptisch

Zu den Skeptikern, die großes Unbehagen verspürten, gehörte auch Al-Wazirs Mutter, eine Altachtundsechzigerin, die ihren Sohn schon in den 80er Jahren mit zu Protesten gegen die Startbahn West geschleppt hatte. Doch auch dieses Milieu habe allmählich eines realisiert, sagte Al-Wazir vor kurzem in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen“: „Wenn man auf eine rot-grüne Mehrheit wartet, um etwas zu verändern, dann verändert sich nichts.“

Er selbst hatte das zunächst auch getan, bei der Landtagswahl 2003 führte Al-Wazir die Grünen erstmals als Spitzenkandidat in die Landtagswahl. 2008 war er bereit, ein Linksbündnis mit Andrea Ypsilantis SPD und der Linkspartei zu schmieden, das aber auf den letzten Metern am Widerstand einiger SPD-Politiker scheiterte.

Seitdem verfolgt Al-Wazir mit seinem Landesverband einen Kurs der „Eigenständigkeit“, der sich mittlerweile auch in der Bundespartei durchgesetzt hat. Keine klare Rot-Grün-Präferenz, sondern Äquidistanz zur CDU und den Sozialdemokraten. Auch in diesem Landtagswahlkampf legen die Grünen sich nicht auf eine Koalitionsaussage fest.

Der 47-Jährige hat einen jemenitischen Vater

Dabei war es auch ihm nicht leicht gefallen, sich nach der letzten Wahl ausgerechnet mit der konservativen Hessen-CDU an einen Tisch zu setzen. Roland Kochs Unterschriften-Kampagne gegen den Doppelpass im Jahr 1999 war ihm noch in Erinnerung. Und auch die Plakate, die Koch im Jahr 2008 gegen ein rot-rot-grünes Bündnis kleben ließ: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“, hieß es dort. Die CDU setzte damals darauf, Ressentiments zu schüren mit dem ausländischen Nachnamen des Grünen-Politikers, der 1971 in Offenbach als Sohn einer deutschen Lehrerin und eines jemenitischen Diplomaten und Geschäftsmanns geboren worden war.

Aufgewachsen ist Al-Wazir in Offenbach, seine Eltern trennten sich früh. Mit 14 Jahren zog er zu seinem Vater in die jemenitische Hauptstadt Sanaa, zwei Jahre später kehrte er nach Deutschland zurück. 1989, noch vor dem Abi, trat er den Grünen bei. Er wurde Vorsitzender der Grünen Jugend, 1995 zog er erstmals als Abgeordneter in den Landtag ein. Dort blieb er seitdem, auch wenn es zwischenzeitlich Rufe gab, er möge sich doch als Parteichef der Grünen bewerben. Doch aus den bundespolitischen Debatten seiner Partei hält Al-Wazir sich meistens raus.

Bouffier würde die Koalition gerne fortsetzen

Nach der letzten Landtagswahl wäre rechnerisch auch Rot-Rot-Grün möglich gewesen, SPD, Grüne und Linkspartei sondierten auch diese Option gründlich, die Gemeinsamkeiten waren dann aber doch nicht groß genug. Und Al-Wazir kam zum Ergebnis, dass seine Grünen in einer Koalition mit der CDU mehr von ihrer Politik durchsetzen könnten. Er selbst wurde damals Minister für Wirtschaft, Verkehr und Energie – und damit auch zuständig für den Flughafen Frankfurt, eines der heikelsten Themen in der Koalition.

Offenbar ist es ihm gelungen, zum CDU-Mann Bouffier in den vergangenen Jahren ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Da beide Parteien so unterschiedlich ticken, sei von Anfang an klar gewesen, dass die Koalition darauf angelegt sei, Konflikte lösen zu müssen, sagt ein Grüner. Und dies gelinge oft auch intern, anders als bei der großen Koalition im Bund.

Bouffier jedenfalls macht keinen Hehl daraus, dass er dieses Bündnis gerne fortsetzen würde. Auch Al-Wazir hätte vermutlich nichts dagegen. Doch der Grüne bleibt sich seiner Linie treu und hält sich auch andere Bündnisse offen – Jamaika, eine Ampel oder Rot-Rot-Grün. Schließlich habe man in Hessen vor zehn Jahren erleben können, sagt Al-Wazir, wohin die Krankheit „Ausschließeritis“ führe.

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