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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

© dpa/Hannibal Hanschke/Reuters/Pool

Vor der Corona-Runde von Bund und Ländern: Stufenpläne werden das nächste Streitthema bei Merkel

Bei der nächsten Corona-Krisenrunde mit Kanzlerin Merkel wird es um Pläne zum stufenweisen Ausstieg aus der Pandemie gehen. Nicht jeder hält die für sinnvoll.

Von Robert Birnbaum

Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Thüringen haben sie schon entworfen, Bayern und der Bund halten wenig davon: Stufenpläne zum Ausstieg aus der Pandemie sind das nächste Streitthema der Corona-Runde bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch.

Die Befürworter versprechen mehr Transparenz und Berechenbarkeit. Ihre Pläne listen akribisch auf, welche Corona-Maßnahmen für welche Branche bei welchem Stand der Pandemie gelten sollen. Doch Skeptiker halten das für Augenwischerei.

„Alle wünschen sich einen Sechs-Monats-Plan“, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Sonntag bei „Anne Will“. „Aber den kann es halt in dieser Dynamik, in dieser Pandemie nicht geben.“

Maßnahmentabellen für jeden Lebensbereich

Tatsächlich stellt sich die Frage, wozu die langen Auflistungen taugen. Der Kieler „Perspektivplan“ umfasst acht Seiten, der „Stufenplan 2.0“ aus Hannover sogar 13.

Schleswig-Holstein will das Pandemiegeschehen in vier Inzidenzstufen von über 200 bis unter 35 einteilen, Niedersachsen in sechs Stufen mit Schwellen bei 25 und unter 10. Für alle Lebensbereiche und Branchen von privaten Treffen bis Wettbüros werden jeder Stufe genaue Maßnahmen zugeordnet. Sie reichen vom Verbot über Hygienekonzept bis zur völligen Freigabe.

Das liest sich übersichtlich und entspricht auf den ersten Blick dem, was vom Wirtschaftsverband bis zum Kulturrat viele fordern: eine „klare Perspektive“ statt immer neuer „Vertröstungen“ durch die Corona-Krisenrunden.

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Doch so klar ist die Perspektive gar nicht. Der Niedersachse Stephan Weil (SPD) trat sofort dem naheliegenden Missverständnis entgegen, es handele sich um einen „Lockerungsplan“. Die Auflistung gelte für jeden weiteren Verlauf, „im Guten wie im Schlechten“.

Der Kieler Regierungschef Daniel Günther (CDU), der das Thema bei den Ministerpräsidenten auf die Tagesordnung gesetzt hatte, hat in seine Tabellen sogar extra einen „dynamischen Faktor“ einbauen lassen. Er soll neben der Inzidenz weitere Maßzahlen umfassen, vor allem aber die große Unbekannte: Die Virus-Mutationen und ihre Folgen.

Das Virus hält sich nicht an Pläne

Die Mutationen sind der Hauptgrund dafür, dass die Skeptiker es für irreführend, wenn nicht sogar grundfalsch halten, ausgerechnet jetzt mit Stufenplänen die Erwartung zu wecken, der Weg aus der Pandemie sei planbar. Allein schon die viel ansteckendere britische Mutation B117 kann alle Inzidenzschwellen zu Makulatur machen.

Und alle Experten sind sich einig, dass die Turbo-Viren die alten Varianten hier genauso verdrängen werden wie in Großbritannien oder Portugal. Unklar ist nur noch, wie schnell das in Wochen gemessen geht. Bis zur Sitzung am Mittwoch soll das Robert-Koch-Institut (RKI) zusammentragen, was die Stichproben in Deutschland ergeben. Bei der ersten Auswertung vor einer Woche fand sich in knapp sechs Prozent aller Covid-positiven Tests die britische Mutation. Je höher der neue Wert, umso dringlicher das Handeln.

Klar ist aber jetzt schon: „Unsere Taktik gegen diesen veränderten Gegner muss angepasst werden“, sagt der Bonner Genomforscher Joachim Schultze, der die deutschen Forschungen zu Mutationen koordiniert.

Einmal feierlich beschlossene Stufenpläne, fürchten Skeptiker, stünden der schnellen Reaktion eher im Weg. Und ob es der Klarheit dient, wenn Bürger und Unternehmer erst den gerade aktuellen "dynamischen Faktor" kennen müssen, um zu wissen was gilt - zweifelhaft.

„Das Auf-Sicht-Fahren ist das einzige, was wirklich hilft“, sagt der Bayer Markus Söder (CSU). Das gelte auch für Perspektiven, die prinzipiell ja durchaus sinnvoll seien. Doch das Coronavirus, warnt Söder, „hält sich null an Termine, die wir setzen.“

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