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Kandidat und Präsident - Wladimir Putin wird wohl am 18. März wiedergewählt werden.

© Alexander Zemlianichenko/dpa

Vor den Wahlen in Russland: Was will Wladimir Putin?

Am kommenden Sonntag sind mehr als 109 Millionen Russen zur Präsidentenwahl aufgerufen. Doch der Sieger steht bereits fest: Wladimir Putin.

Putins Reich: Keiner der sieben Herausforderer des amtierenden Präsidenten wird ihm nur annähernd gefährlich werden können. So wird der heute 65-Jährige Wladimir Putin vermutlich bis mindestens 2024 die Geschicke seines Landes lenken.

Sieben Fragen zu den Wahlen in Russland am 18. März - und dazu, wie zufrieden die Russen mit ihrem Präsidenten sein können.

Warum hält es der Kreml für nötig, dass Kandidaten gegen Putin antreten?

Ausdruck eines politischen Wettbewerbs ist das nicht. Dennoch geht der Kreml davon aus, dass das Angebot von Scheinalternativen einen Mobilisierungseffekt hat. Zu niedrig darf die Wahlbeteiligung nicht ausfallen. Zum Einsatz kommen jedoch nicht echte Politiker, sondern sieben „Rollenmodelle“. Das augenfällige Beispiel dafür ist das frühere GlamourModel Ksenia Sobtschak. Mit ihrer Person soll die Idee besiegt werden, Russland könne zum dekadenten Hedonismus der Eliten der 90er Jahre zurückkehren.

Der kommunistische Milliardär Pawel Grudinin, ein Agrarunternehmer, verkörpert das Konzept der mit der Sowjetunion untergegangen Staatswirtschaft. Pikant nur, dass unmittelbar vor der Abstimmung Schwarzgeldkonten und Golddepots Grudinins im Wert von vielen Millionen in der Schweiz entdeckt wurden. Die habe er aufgelöst, versicherte Grudinin – und die Wahlkommission glaubte ihm.

Der rechtsradikale Wladimir Schirinowski wiederum steht für einen völlig hemmungslosen Nationalismus, der den von Putin noch um einiges übertrifft. Der Milliardär Boris Titow vertritt auf persönlichen Wunsch Putins, wie es heißt, die neoliberalen Oligarchen. Grigori Jawlinski repräsentiert den traurigen Rest der liberalen Demokraten Russlands.

Welche Rolle spielt die demokratische Opposition?

Die geht völlig illusionslos in die Abstimmung, auch weil ihr wichtigster Protagonist – Alexej Nawalny – nicht teilnehmen darf. Er hätte ohnehin keine Chancen gegen Putin – selbst wenn die Abstimmung nicht manipuliert würde. Seine Kandidatur hatte die Wahlkommission nicht zugelassen, weil er in einem fadenscheinigen Verfahren wegen Unterschlagung vorbestraft worden ist. Nawalny hat in der Vergangenheit zu vielen Protestaktionen aufgerufen und musste dafür immer wieder ins Gefängnis. Das sollte im Zusammenspiel mit wiederholten Polizeiaktionen in den Büros der Nawalny-Anhänger die Opposition in den Regionen einschüchtern. Nawalnys zentraler Punkt ist der Kampf gegen die endemische Korruption, er setzt sich für eine effektive Kontrolle des Staatsapparates und die Kürzung unproduktiver Staatsausgaben ein.

Wer beobachtet die Abstimmung?

Eine effektive internationale Kontrolle wird es nicht geben. Russland hatte sich beschwert, dass die OSZE bei vorangegangenen Abstimmungen aus Moskauer Sicht unverhältnismäßig viele Beobachter entsandt habe. Das Verhältnis des Kremls zum OSZE-Büro für demokratische Institutionen (OHDIR), das die Beobachtungen durchführt, ist traditionell angespannt. Diesmal wird OHDIR 13 Beobachter in Moskau und 60 Langzeitbeobachter stationieren. Oppositionspolitiker Nawalny hat versucht, über die sozialen Netzwerke 4500 unabhängige Kontrolleure zu rekrutieren. Sein Blog wurde daraufhin gesperrt.

Was hat Putin versprochen – und was hat er gehalten?

Die Bilanz seiner zurückliegenden Amtszeit fällt durchwachsen aus. In wirtschaftlicher Hinsicht konnte der Kreml seine Versprechen nicht halten. Durch den Verfall des Ölpreises und der Auswirkungen der internationalen Sanktionen sowie der russischen Gegenstrafmaßnahmen stagniert die ökonomische Entwicklung des Landes. Die Realeinkommen fallen seit dem Jahr 2012, auch wenn sie zuletzt wieder leicht angestiegen sind. Doch der private Konsum schwächelt. Dass die russische Wirtschaft 2017 sich leicht erholte und Auslandsinvestitionen wieder zunahmen, spüren die Bürger noch nicht.

Dem Präsidenten gelang es zumindest teilweise, dieses Versagen mit einer Politik der nationalen Größe zu kompensieren. Außerdem wurden viele Gesetze erlassen, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit beträchtlich einschränken. Die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die Interventionen Moskaus im Donbass und vor allem in Syrien appellierten an den Patriotismus der Russen und trösteten viele über den Phantomschmerz – Verlust des einstigen Großmachtstatus – hinweg.

Wie ist die Stimmung in der Gesellschaft nach zwei Jahrzehnten Putin?

Obwohl Putin in Vorwahlumfragen des kremlnahen Instituts Wziom Zustimmungswerte von 69 bis 73 Prozent aufweist, ist die allgemeine Begeisterung über seine zu erwartende vierte Amtszeit (er war bisher dreimal Präsident, einmal Premier) gesunken. Das hat mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation und den angespannten internationalen Beziehungen zu tun. Gleichzeitig fehlen politische Konkurrenten. Viele Russen befürchten, dass es unter einem anderen Kreml-Herren noch schlechter werden würde. Auf diese Alternativlosigkeit kann das Regime bauen. Auch radikale Veränderungen lehnt die Mehrheit der Bevölkerung ab. Für liberale Reformen scheinen nur gutausgebildete, vom Staat eher unabhängige Bevölkerungsgruppen bereit. Doch sie sind zahlenmäßig klein. Ihre Vertreter engagieren sich öfter in Bürgerinitiativen, die etwas freiere Hand haben als die Opposition, ziehen sich ins Private zurück oder verlassen das Land.

Was will Putin in den kommenden sechs Jahren erreichen?

Der Präsident hat in seiner Jahresbotschaft Verbesserungen in der Infrastruktur, in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Gesundheit und Technologie angekündigt. Der Bau von Straßen und Brücken soll vorangetrieben werden. Putin will auch die Zahl der Armen von 20 Millionen innerhalb von sechs Jahren auf die Hälfte reduzieren. Die Jugend soll fit für die technologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gemacht werden. Darüberhinaus kündigte er einen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft an.

Außenpolitisch will er Russland als einflussreichen Akteur etablieren und seine ordnungspolitischen Vorstellungen in der internationalen Arena durchsetzen. Syrien ist dafür zweifelsohne eine Bühne. Das Abschreckungspotenzial neuer Atomwaffen, die er kürzlich präsentierte, unterstreicht Putins Weltmachtanspruch.

Was wird aus den Beziehungen zum Westen und zu den USA?

Eine grundlegende Änderung des außenpolitischen Kurses Moskaus ist unter Putin nicht zu erwarten. Der Kreml ist interessiert an bilateralen Kontakten mit einzelnen „geneigten“ europäischen Staaten wie Italien, Österreich und Ungarn, wo er auf Verbündete in den entsprechenden Regierungen hoffen kann. Mit der EU als Ganzes ist ein Dialog schwieriger, da ein schrittweiser Abbau oder gar eine Aufhebung der Sanktionen nicht in Sicht ist. Ausgesprochen angespannt bleibt ebenfalls das Verhältnis zu den USA, wo Putin zwar in US-Präsident Donald Trump einen Ansprechpartner sieht, der derzeit aber selbst stark unter Druck steht. Pragmatische Kooperation in internationalen Konfliktherden oder bei übergreifenden Bedrohungen wie Terrorismus ist zwar vorstellbar, doch selbst auf diesen Feldern sind sich der Westen und Moskau in inhaltlicher Hinsicht oft nicht einig.

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