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Der Bundes- und Landesvorsitzende der Freien Wähler (FW), Hubert Aiwanger.

© Armin Weigel/picture alliance / dpa

Exklusiv

Vor den Landtagswahlen in Bayern: Aiwanger: Wir werden der CSU die Arroganz austreiben

Der Spitzenkandidat der Freien Wähler haut besonders auf die CSU ein, glaubt aber, dass Markus Söder nur mit ihm koalieren werde.

Würde Politik wie die Jahrmarktattraktion „Hau den Lukas“ funktionieren, wäre Hubert Aiwanger schon Ministerpräsident Bayerns. Auf dem Rummel steigt beim Lukashauen der Körper umso höher, je mehr Kraft man beim Schlag aufwendet. Der Chef der Freien Wähler (FW) kann sehr hart draufschlagen, er macht mit diesem Prinzip Politik, er haut vor allem auf den politischen Hauptfeind ein: die CSU. Die Methode hat ihn 2008 erstmals und 2013 erneut in den Landtag gebracht, nach der kommenden Wahl am 14. Oktober will Aiwanger endlich auch mitregieren.

An einem Spätsommertag im September stürmt Aiwanger durch die Kantine im ersten Stock des Maximilianeums, setzt sich in ein kleines Séparée, bestellt sein Mittagessen und kommt sofort zur Sache: „Die Arroganz der CSU, den Staat und die Bürger als Beute zu betrachten, werden wir ihr in der Regierung austreiben.“

"Wir sind der Wunsch-Koalitionspartner der CSU"

Interessant ist, dass Aiwanger, 47 Jahre alt, Vater zweier kleiner Söhne, gelernter Landwirt mit Liebe zum Wald und zur Jagd, kein Problem darin sieht, dass er die CSU einerseits scharf angreift, andererseits aber wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die Christsozialen nur mit den FW eine Regierung werden bilden wollen. Er sagt mit einer Selbstsicherheit, die man vermutlich nicht spielen kann: „Ich empfange deutliche Signale aus der Basis der CSU, dass wir ihr Wunsch-Koalitionspartner sein werden.“

In Wahrheit ist zwei Wochen vor der Wahl nur deutlich absehbar, dass die CSU nach 2008 zum zweiten Mal in ihrer Geschichte wohl ihre absolute Mehrheit verlieren wird. In den letzten Umfragen liegen hinter der CSU die Grünen am besten mit rund 17 Prozent, dann kommt schon die AfD mit 14, die SPD und die Freien Wähler liegen bei elf, die FDP bei fünf bis sechs und die Linke bei vier bis fünf Prozent.

Aiwanger: Wir sind die letzten vernünftigen Konservativen

Eigentlich würde diese Konstellation einen Sturz der CSU ermöglichen, die schon bis auf 34 Prozent abgesunken ist, wenn SPD, Freie Wähler, Grüne und FDP sich zusammentun. Aber das wollen sie nicht. Vor allem will Aiwanger das nicht, er rechnet nur für sich: Die CSU werde nicht mit den Grünen koalieren und auch nicht mit der AfD, die SPD spiele sowieso keine Rolle und die FDP werde den Sprung ins Parlament verpassen. Die Wähler, glaubt Aiwanger, werden begreifen, dass „wir die letzten vernünftigen Konservativen sind. Nur mit uns wird es eine bürgerliche, wertkonservative Regierung geben“. Deshalb warnt er ständig und überall: „Wer AfD wählt, bringt Rot-Grün an die Regierung.“

Dass Ministerpräsident Markus Söder und der Grünen-Spitzenmann Ludwig Hartmann sich im einzigen TV-Duell trotz aller Gegensätze am Ende gegenseitige Gesprächsbereitschaft versicherten – und eben eine schwarz-grüne Koalition nicht definitiv ausgeschlossen haben –, hat auch Hubert Aiwanger registriert. Aber er tut so, als könne nicht sein, was aus seiner Sicht nicht sein darf.
Man muss in die jüngere Geschichte schauen, um zu verstehen, warum der Niederbayer dieses Mal die Regierungsbeteiligung erzwingen will. 2008 war er der Shootingstar der Landespolitik. Er zog mit mehr als zehn Prozent in den Landtag ein, die FDP kam auf acht. Trotzdem regierte die von ihrem eigenen Ergebnis geschockte CSU mit den Liberalen. Die Freien Wähler, vor allem dieser Hubert Aiwanger, wäre den Christsozialen zu aufmüpfig, zu schwierig gewesen.

Hubert Aiwanger mit seinem Sohn Laurenz.
Hubert Aiwanger mit seinem Sohn Laurenz.

© Armin Weigel/picture alliance / dpa

Sie haben ihn verhöhnt und verspottet, haben seinen niederbayrischen Dialekt, das kantige O statt des langen A, verlacht und gerufen, „red deutsch“, als er zum ersten Mal im Landtag sprach. Aber Aiwanger ist stoisch, stolz und dickköpfig. Er lässt nichts an sich heran, schon gar nichts Negatives. Außerdem glaubt er fest daran, dass er die Politik mit seiner kommunalen, bürgernahen Ausrichtung besser machen könne. In Bayern, wie auch in Baden-Württemberg und anderswo, stellen die Freien Wähler Tausende Bürgermeister. Es gibt also Wurzeln, die wachsen müssten. So denkt Aiwanger.
Damals war eine Zeit angebrochen, in der Bürger wie bei Stuttgart 21, der schwarz-grünen Hamburger Schulreform oder auch wegen der Flugrouten des BER wieder massiv auf die Straße gingen. Die Piraten sorgten für Furore, und Aiwanger sah die Chance gekommen, um auch in die Bundespolitik zu gehen. 2013 sollten die FW in den Bundestag einziehen – mit Hans-Olaf Henkel, dem ehemaligen BDI-Präsidenten, als Spitzenkandidaten. Doch die AfD wurde plötzlich groß und verpasste vor fünf Jahren nur knapp den Sprung in den Bundestag. Von Aiwangers Freien Wählern wollte außerhalb Bayerns kaum jemand etwas wissen. Und Henkel wanderte schnell zur AfD weiter.

Sie haben ihn verhöhnt - er hat das einfach überhört

Aiwanger konzentriert sich seitdem auf Bayern, reizte die CSU beispielsweise mit den Volksentscheiden zu den Straßenausbaubeiträgen oder zum Wechsel zurück vom achtjährigen zum neunjährigen Gymnasium. Im bayerischen Fernsehen ist er kürzlich gefragt worden, welches Ministerium für die Freien Wähler interessant wäre. Normalerweise antworten Politiker, es gehe ihnen nicht um Posten, sondern darum, die eigenen Ideen umzusetzen. Hubert Aiwanger sagte: „Wir können uns jedes Ministerium vorstellen, es gibt überall viel zu verbessern.“

In der Landtagskantine ist er schnell mit der Suppe fertig, jetzt kommen die Kässpätzle. Seine politische Sozialisation entspringt dem Widerstand gegen die CSU. Er erzählt, wie er in seinem Heimatort mitansehen musste, dass sich die Leute der CSU, jahrzehntelang an der Macht, persönlich bedient hätten. Das machte ihn wütend, er sagt: „Wir müssen die absolute Herrschaft der CSU brechen. Um die Politik zu korrigieren, müssen wir das Risiko eingehen, als kleinere Partei in die Regierung einzutreten.“

Aiwanger ist schmerzfrei bis ins Populistische

Inhaltlich gibt es bei den FW eher Schnittmengen mit Grünen und SPD als mit der CSU. Die Ablehnung der dritten Startbahn etwa, aber auch die Forderung nach Abschaffung der Kita- und Krippengebühren. Die FW wollen ebenso den ländlichen Raum stärken, die Infrastruktur verbessern, Wohnen dort attraktiv machen. Aber um eine Abgrenzung zu den anderen Parteien glaubwürdig zu machen, spielt Aiwanger die Karte der „vernünftigen Konservativen“. Er verweist gerne darauf, dass er schon 2015 davor gewarnt habe, „mehr als 100 000 Flüchtlinge ins Land zu lassen“. Zu dem Vorwurf, er habe Seehofers Obergrenze unterbieten wollen, sagt er heute: „Ich habe nicht gesagt, dass wir dann die Grenzen dichtmachen.“ Er habe warnen wollen, dass die Infrastruktur für die Integration dann an Grenzen stoße.

Wenn Aiwanger spricht, redet er meistens alle anderen, auch alles, was die anderen machen, lautstark schlecht. Er ist da schmerzfrei bis tief ins Populistische hinein. Bleibt die Frage, wieso er jetzt mit der CSU regieren könne, wenn die, wie er sagt, „Bayern rückentwickelt“ habe? Aiwanger guckt erstaunt, als könne er das Gesagte überhaupt nicht verstehen, dann lächelt er: „Wir werden gebrauch

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