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Christian Lindner ist Fraktionsvorsitzender und Parteichef der FDP.

© dpa/Kay Nietfel

Vor den Landtagswahlen am Sonntag: Für die FDP ist die Aussicht auf die Ampel Segen und Fluch zugleich

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnten am Sonntag SPD, Grüne und FDP eine Mehrheit erreichen. Für die Liberalen wäre das ein Problem.

Für die Liberalen ist die Sache noch nie gut ausgegangen. Ampel-Koalitionen mit SPD und Grünen endeten für die Freidemokraten in der Vergangenheit stets in einer krachenden Niederlage. Anfang der 90er Jahre hatten sie das Experiment zweimal gewagt, in Brandenburg und Bremen. In beiden Ländern stürzte die FDP bei der nächsten Wahl ab – und flog sowohl aus dem Potsdamer Landtag, als auch aus der Bremer Bürgerschaft.

Entsprechend groß war bislang die Skepsis der Liberalen vor rot-gelb-grünen Regierungsbündnissen. Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am kommenden Sonntag ändert sich das allerdings – auch mit Blick auf den Bund. Von einer neuen „Offenheit“ und einem „Kulturwandel“ ist in der FDP die Rede. Die Union sei längst nicht mehr „natürlicher Koalitionspartner“ der Liberalen, betont FDP-Generalsekretär Volker Wissing, der als Wirtschafsminister in Rheinland-Pfalz seit vier Jahren mit SPD und Grünen regiert. Auch Hans-Ulrich Rülke, Spitzenkandidat der Südwest-FDP, zeigt sich offen für die Ampel. Die ist in beiden Bundesländern laut Umfragen in greifbarer Nähe – mit einer möglichen Signalwirkung für den Bund.

Für die Liberalen ist das einerseits ein Segen. Endlich, so könnte man aus FDP-Sicht sagen, kommen die Freidemokraten nach dem Jamaika-Aus 2017 wieder als Königsmacher in Frage, vor allem wenn die Ampel-Debatte nach dem Wochenende bundesweit an Fahrt gewinnen sollte.

Riskante Gratwanderung

Allerdings hat die Sache einen Haken: ein „strategisches Risiko“, wie es in der Partei heißt. Viele FDP-Leute wollen sich im Superwahljahr stärker vom „linksgrünen Zeitgeist“ absetzen. Schon jetzt klagen sie, dass sich die FDP in der Klimapolitik von den Grünen Ton und Takt vorgeben lasse. Wenn die Freidemokraten in Baden-Württemberg zum ersten Mal und in Rheinland-Pfalz erneut mit der Ökopartei koalierten, würde man Parteichef Christian Lindner wohl schnell fragen, ob er das auch im Bund tun würde. Wäre er bereit, etwa Grünen-Chefin Annalena Baerbock zur Kanzlerin zu wählen? Eine Horror-Vorstellung für eingefleischte Liberale.

„Eine Gratwanderung“, nennt es einer aus dem Parteivorstand. Man könnte mit der Ampel in den Ländern zwar Regierungsverantwortung beweisen – allerdings mit der Gefahr, dabei das eigene Profil, die Abgrenzung vom linksliberalen Mainstream, zu verlieren. Immerhin gelten die Grünen bei vielen Liberalen als „Verbotspartei“.

Ein Modell für den Bund?

Daniela Schmitt, FDP-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, hat davor keine Angst. Seit vier Jahren ist sie Wirtschaftsstaatssekretärin in der Mainzer Ampel.

Daniela Schmitt ist Wirtschaftsstaatssekretärin und FDP-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz.
Daniela Schmitt ist Wirtschaftsstaatssekretärin und FDP-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz.

© picture alliance/dpa

„Ich kann mir das grundsätzlich als Modell auch für den Bund vorstellen“, sagt sie. Die Zustimmung für die Landesregierung ist groß, 56 Prozent sind laut ARD-Deutschlandtrend mit ihr zufrieden. Das Erfolgsrezept, so sagt Schmitt: „In unserem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP gut wiedergefunden. Die Ministerien haben wir auf die Kernkompetenzen der einzelnen Parteien zugeschnitten, das kann viel Spannung herausnehmen.“ Tatsächlich wurden die Ressorts fachgerecht verteilt: Die SPD ist für Soziales zuständig, die Grünen für die Umwelt, die FDP für die Wirtschaft. „Verlässlich und stabil“ habe man so regiert, sagt Schmitt. Sie habe nie „so in den Tisch beißen müssen, dass man es heute noch sieht“, sagte SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer einmal über die Kompromissfähigkeit in der Koalition.

Die Ampel als „historischer Durchbruch“

Ginge das auch im Bund, eine Ampel in Berlin? Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, sieht die vergangenen vier Jahre in Rheinland-Pfalz als „historischen Durchbruch“. Zum ersten Mal ist die FDP in einer Ampel nicht völlig aufgerieben worden, anders als in den 90ern in Bremen und Brandenburg. Buschmann sagt aber auch: „Wenn die SPD im Bund so aufgestellt wäre wie in Rheinland-Pfalz, dann wäre es sicherlich leichter mit einer Ampelkoalition auf Bundesebene.“ Die linke Bundesspitze der SPD, die Reichensteuer im Wahlprogramm – für die FDP ist das ziemlich abschreckend. Allerdings senden einzelne Funktionäre auf beiden Seiten auch Signale der Annäherung aus. So betonten der Generalsekretär der NRW-FDP, Johannes Vogel, und SPD-Vize Kevin Kühnert kürzlich im „Zeit“-Interview, dass man in einigen Zielen doch recht nahe liege.  

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Den Grünen attestiert Buschmann eine innere „Zerrissenheit“: „Die einen wollen der Union vorauseilende Flexibilität in inhaltlichen Fragen demonstrieren. Die anderen sehen die schweren Versäumnisse der Großen Koalition“, sagt er. Dass Teile von Union und Grünen längst auf Kuschelkurs gehen, beobachtet man in der FDP genau. Doch auch zwischen Liberalen und Grünen gibt es im Bundestag gute Kontakte, in Gesprächskreisen genau wie in den Ausschüssen.

Den Zustimmungswerten der FDP hat die neue Offenheit für die Ampel bislang nicht geschadet. Bundesweit sind die Liberalen mit 10,7 Prozent laut einer Insa-Umfrage seit langem erstmals wieder zweistellig. Das liege an den „Langläufer-Qualitäten“ seiner Partei, der beharrlichen Oppositionsarbeit im Bundestag, sagt Buschmann. Profitieren dürften die Liberalen aktuell aber auch vom Corona-Frust über das Krisenmanagement von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und den jüngsten Korruptionsfällen in der Unionsfraktion.

Ob das alles bei der Bundestagswahl in einem halben Jahr die Mehrheitsverhältnisse in Richtung einer Ampel schiebt, ist allerdings offen. Das gleiche gilt für die Frage, ob es dann auch genug inhaltliche Gemeinsamkeiten von SPD, Grünen und FDP für eine stabile Koalition gibt.

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