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Braunkohle-Tagebau in der Lausitz: Der Ausstieg aus der Kohle soll durch Investitionen in der Region kompensiert werden. Wer soll das bezahlen?

© Patrick Pleul/ dpa

Vor dem Treffen mit Merkel: Ost-Länder wollen Kohleausstieg nicht mitfinanzieren

Die Ost-Ministerpräsidenten treffen sich mit der Kanzlerin. Es geht vor allem ums Geld.

Die Regierungschefs der ostdeutschen Braunkohleländer wehren sich dagegen, die geplanten Milliardenprojekte für den Kohleausstieg mitfinanzieren zu müssen. Es könne nicht sein, dass zulasten der betroffenen Bundesländer deren Haushaltsmittel verplant werden, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Es sei eine Entscheidung des Bundes, den Kohleausstieg zu vollziehen.

Seine Bedenken äußerte er gemeinsam mit seinen Kollegen Michael Kretschmer (Sachsen/CDU) und Dietmar Woidke (Brandenburg/SPD) in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Es sollte keinesfalls der Eindruck entstehen, dass die Reviere als Träger der Hauptlast zurückbleiben“, heißt es in dem Schreiben. Dennoch verweise der Bund in Gesprächen immer wieder auf Optionen, die eine finanzielle Beteiligung der Länder vorsehen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte eine Rechtsgrundlage, damit die vom Kohleausstieg betroffenen Ost-Länder das vom Bund zugesagte Geld schnell und zielgenau einsetzen könnten. „Wir wollen eine Sonderwirtschaftszone in Mitteldeutschland und der Lausitz, die uns in die Lage versetzt, in 20 Jahren eine starke innovative Wirtschaftsstruktur aufzubauen.“

Den Regierungschefs geht es um die Milliardensummen, mit denen in den nächsten 20 Jahren die Folgen des Kohleausstiegs in den betroffenen Regionen abgefedert werden sollen. Eine eingerichtete Kommission der Bundesregierung hatte Anfang des Jahres empfohlen, dafür insgesamt 40 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Dieses Jahr sollen über ein Sofortprogramm erste Mittel fließen. Am Donnerstag gibt es in Berlin ein Arbeitstreffen der betroffenen Länder und des Bundes zum Thema.

Nach Ansicht des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sind die ostdeutschen Länder grundsätzlich auch fast 30 Jahre nach dem Mauerfall immer noch benachteiligt. „Es gibt noch erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West“, sagte der Linken-Politiker vor dem Treffen der Ost-Regierungschefs mit Merkel im thüringischen Neudietendorf. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies auf andauernde Untergleichgewichte zwischen Ost und West hin - etwa bei der Wirtschaftskraft und den Löhnen.

Themen des Spitzentreffens in Thüringen sind unter anderem die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West, die Angleichung der Renten von DDR-Bürgern sowie die Kosten für die Sanierung ökologischer Altlasten. Ramelow führt derzeit den Vorsitz der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz.

Woidke will schnelleres Internet

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) will bei dem Treffen auch auf eine deutlich bessere Mobilfunkversorgung in Ostdeutschland mit dem neuen Standard 5G dringen. „Salopp gesagt muss 5G an jede Milchkanne“, sagte Woidke. „Die geplante Versorgung von 98 Prozent der Haushalte mit schnellem Internet bis Ende 2022 ist das Mindeste, um eine akzeptable Flächenabdeckung zu kriegen.“ Das seien am Ende nur etwa 75 Prozent der Fläche. „Gerade die ländlichen Räume dürfen nicht abgehängt werden.“ Woidke spielte damit auf eine Bemerkung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) an, die gesagt hatte, der Mobilfunkstandard 5G sei „nicht an jeder Milchkanne notwendig“.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einem massiven Einbruch der EU-Mittel für die Regionen Ostdeutschlands. Der Blick auf die im Jahr 2021 startende Förderperiode sei besorgniserregend, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Im schlimmsten Fall drohen Kürzungen von bis zu 60 Prozent.“ Vor diesem Hintergrund bestehe Gesprächsbedarf. Ein Grund für den befürchteten Einbruch der Fördermittel aus Brüssel ist der geplante Austritt Großbritanniens. Danach gibt es nach jetzigen Plänen weniger Haushaltsmittel zu verteilen.

Der wirtschaftliche Aufholprozess in den ostdeutschen Bundesländern ist nach Einschätzung des stellvertretenden FDP-Fraktionschefs im Bundestag, Frank Sitta, weitgehend zum Erliegen gekommen. Sein Bundesland Sachsen-Anhalt falle sogar seit Jahren zurück, sagte er. Sitta, der auch FDP-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt ist, sagte, weiteres Wirtschaftswachstum lasse sich nicht offenbar nicht einfach „herbeifördern“. Nach seinen Vorstellungen sollte es „Freiheitszonen“ mit weniger bürokratischen Hürden und geringerer Steuerlast geben, damit Firmen etwas ausprobieren könnten.

Großes Thema: Ungerechtigkeiten bei der Rente

Ramelow wies auf Ungerechtigkeiten bei den Renten hin. Einerseits verursachten die früher gewährten DDR-Zusatz- und Sonderrenten den neuen Bundesländern heute hohe Kosten. Zum anderen bezögen Frauen, die sich in der DDR haben scheiden lassen, oft geringe Renten, weil es für sie keinen Versorgungsausgleich gibt. Beide Themen sollen in Neudietendorf bei Erfurt besprochen werden.

Ramelow hatte zuvor eine stärkere Beteiligung des Bundes bei den Kosten für die Sonder- und Zusatzrenten gefordert. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte sogar, dass der Bund die Kosten mittelfristig ganz übernehmen soll. „Wir haben eine Lastenverteilung bei den Zusatzversorgungssystemen aus DDR-Zeiten von 60 Prozent ostdeutscher Länder und 40 Prozent Bund“, sagte Woidke. „Das bedeutet für uns ostdeutsche Länder eine Milliardenbelastung - auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremsen“, sagte Woidke.

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Ost-Länder, Christian Hirte (CDU) würde an diesem Punkt einer Rehabilitierung von SED-Opfern den Vorzug geben - wenn nicht beides möglich ist. Beide Vorhaben seien im Koalitionsvertrag festgeschrieben, jedoch noch nicht finanziell unterlegt. „Mir erscheint der Einsatz für die Opfer des SED-Regimes dringender angezeigt, als für noch größere Überschüsse der Landeshaushalte“, sagte Hirte. (dpa)

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