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Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Die G7 - hier dargestellt von Oxfam-Aktivisten - trafen sich Ende Mai in Italien.

© Antonio Condorelli/Oxfam/dpa

Vor dem G-20-Gipfel: Merkels Drahtseilakt

Frontstellungen führen zwangsläufig zum Scheitern. Über den Erfolg politischer Weltgipfel entscheiden aber Gespräche im kleinen Kreis und oft zu nächtlicher Stunde.

Von Robert Birnbaum

Das Dumme an Weltgipfeln wie dem G-20-Treffen, sagt einer, der damit einschlägige Erfahrung hat, das Dumme sei die Einstimmigkeit. Die EU hat das Prinzip inzwischen aufgeweicht, weil es einfach nicht praktikabel war.

Aber sonst gilt im multilateralen Rahmen nach wie vor: Wenn einer Nein sagt zum geplanten Abschlussdokument, dann gibt es keins. Und wenn dieser eine auch noch macht- und wirtschaftspolitisch betrachtet der Elefant im Raum ist – dann ist damit Angela Merkels Problem beim G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg präzise beschrieben. Die Gastgeberin will die Chefs der zwanzig führenden Industrie- und Schwellenländer auf Klimaschutz und freien Handel verpflichten. Mit Donald Trump geht das nicht. Ohne den US-Präsidenten geht es aber auch nicht.

Die Latte niedrig hängen

Das Dilemma ist bei Merkels gerade beendeter Lateinamerika-Reise immer wieder deutlich geworden. Argentinien und Mexiko zählen zum Kreis der G20, der Besuch ist also eigentlich Routine. Doch in Buenos Aires und Mexiko-Stadt musste sich Merkel dauernd gegen den Eindruck wehren, dass sie ein Anti- Trump-Bündnis schmieden wolle mit sich selbst als leibhaftigem Gegenpol. „Keiner alleine auf dieser Welt, keine Einzelperson und kein Land alleine“ könne die großen Weltprobleme lösen, mahnte sie schließlich in Richtung Washington und an die Adresse überschwänglicher Verehrer zugleich.

Nun gehört es zu den Grundregeln des Merkel’schen Erwartungsmanagements, sich vor wichtigen Treffen die Latte selbst niedrig zu hängen. Inhaltlich ist der Eindruck der Anti-Trump-Koalition nicht ganz falsch. Schon beim G-7-Treffen in Taormina hatten sich Merkel und ihr neuer französischer Premium-Partner Emmanuel Macron geschworen, dass sie beim Klimaschutz keine billigen Formelkompromisse eingehen. Trumps Absage an das Pariser Klimaabkommen macht aber substanzielle Kompromisse schwer, wenn nicht unmöglich.

Zugleich gibt es auch unter den übrigen 19 unsichere Kantonisten in Klimafragen, Saudi-Arabien etwa. Eine Frontstellung innerhalb der G20 wäre schon problematisch genug – schließlich liegt der Sinn dieser Gipfel darin, dass sich die relevanten Staaten auf manchmal vage, aber immerhin doch gemeinsame Ziele selbst verpflichten. Eine Frontstellung 18:2 oder 17:3 käme dem Geständnis des Scheiterns gleich.

Was also bleibt? Mancher denkt darüber nach, den Amerikaner bei seinen bisher weniger beachteten Worten zu nehmen – Trump hatte in seiner Paris-Kündigungsansprache ja zugleich die USA weiter zum Vorbild im Umweltschutz erklärt. Aber ob sich darauf eine Art „Paris durch die Hintertür“ bauen ließe – im G-20-Kommuniqué wesentliche Ziele des Klimapakts unterbringen, das Reizwort selbst aber nicht nennen – erscheint doch fraglich. Ohnehin haben Merkel und ihre Kollegen ja nun mehrfach die Erfahrung machen müssen, dass Trump die mit seinen Mitarbeitern ausgehandelte Vorabsprachen ignoriert, wenn ihm die Lust und der Twitter-Finger danach stehen.

Am Ende wird es in Hamburg so gehen wie bei den Gipfeln vorher: Über Erfolg oder Scheitern entscheiden ein paar mitternächtliche Gespräche unter vier, sechs, acht Augen.

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