zum Hauptinhalt
Die bisherige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wird Deutschlands oberste Klimadiplomatin im Außenministerium.

© Imago/Political-Moments

Von der NGO in den Staatsdienst: Jennifer Morgans Berufung ist eine riskante Wette

Die bisherige Greenpeace-Chefin Morgan wird oberste Klimadiplomatin von Außenministerin Baerbock. Ein „Coup“? Nicht unbedingt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jakob Schlandt

Jennifer Morgan genießt einen untadeligen Ruf als Expertin für Klimapolitik. Als Chefin der internationalen Dachorganisation von Greenpeace mischt sie sich immer wieder an höchster Stelle in die globalen Klimaverhandlungen ein. Sie fordert, prangert an und drängt, beherrscht aber auch ein strategischeres Vorgehen hinter den Kulissen. Für Journalisten gehört sie bei den großen Klimagipfeln zu den wichtigen Informationsquellen, wenn man wissen möchte, wo es hakt.

Nun steht sie vor einem Seitenwechsel: Von der Kampagnen-NGO, die sich als Störfaktor definiert, hinein ins höchste Establishment, in den Staatsdienst. Sie soll als Sonderbeauftragte, später als Staatssekretärin, Deutschlands oberste Klimadiplomatin im Außenministerium werden.

Persönlich eine interessante Geschichte. Im fernen Washington las sie 1989 das Buch „Um Hoffnung kämpfen!“ der Grünen-Mitgründerin Petra Kelly, mit bleibendem, politisierendem Eindruck. Mehr als 30 Jahre später tritt Morgan nun in den Dienst der grünen Außenministerin Annalena Baerbock.

Ein „Coup“ also, wie es die Grünen öffentlich feiern? Was die Fachkompetenz angeht in jedem Fall. Morgans Einarbeitungszeit geht gegen null, sie kennt alle Formate und vor allem auch die meisten Akteure und ihre Tricks. Ein weiterer Vorteil: Die Bundesregierung setzt allein mit der Personalie ein klares Signal auf der internationalen Bühne. Guckt mal, wir meinen es jetzt wirklich ernst und schicken Jennifer Morgan, die euch immer auf den Senkel gegangen ist!

[Der tägliche Nachrichtenüberblick aus der Hauptstadt: Schon rund 57.000 Leser:innen informieren sich zweimal täglich mit unseren kompakten überregionalen Newslettern. Melden Sie sich jetzt kostenlos hier an.]

Doch selbst bei den Grünen ist hinter den Kulissen von einer riskanten Personalie die Rede. Erstens: Im Milieu mag das auf wenig Verständnis stoßen, aber natürlich ist Greenpeace für viele ein rotes Tuch.

Morgan kommt nicht von einer friedfertigen, technokratischen Umwelt-NGO, sondern einer scharf ausgerichteten Kampagnen-Organisation, die, wenn auch mit Bedacht auf Friedlichkeit und wenig Schaden, gezielt Straftaten begeht. Die Extra-Wurst, dass Morgan trotz noch fehlender Staatsbürgerschaft den prestigeträchtigen Posten bekommt – was tatsächlich sehr ungewöhnlich ist – verschärft die Abwehrhaltung.

Derzeit beliebt bei Tagesspiegel Plus:

Zweitens: Wird sie sich aus ihrer bisherigen Rolle lösen können, auch innerlich, und welchen Eindruck macht es, wenn es gelingt? Bis jetzt, und das war auch richtig so als NGO-Chefin, war für Morgan das Glas stets halbleer.

Nach dem jüngsten Klimagipfel in Glasgow, den andere deutlich positiver beurteilten, sprach sie in Greenpeace-Routine von einem „schwachen“ Ergebnis. Wie glaubwürdig ist sie, wenn sie nun, als Verhandlerin unbedingt notwendig, auch eher enttäuschende Kompromisse als Erfolge verkauft? Die neue Jennifer Morgan wird auch an der alten gemessen, das ist unvermeidlich.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Und schließlich, drittens, aber das ist nicht die Hauptsorge der Bundesregierung, ist der Wechsel schwierig für die NGOs. Sie haben jetzt eine wichtige Schaltstelle selbst besetzen können. Das macht Kritik am deutschen Kurs nicht einfacher.

In der internationalen Klimapolitik ist Deutschland, auch über den Einflussmultiplikator EU, eine Großmacht, von der viel abhängt. Baerbock und Morgan ist deshalb trotz aller Bedenken Glück zu wünschen. Möge die riskante Wette aufgehen, eine Chef-Aktivistin in Staatsamt zu holen.

Zur Startseite