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Ursula von der Leyen im EU-Parlament.

© FREDERICK FLORIN / AFP

Von der Leyens Aussagen zur Rechtsstaatlichkeit: "Das sollte die Warnlampen angehen lassen"

Ursula von der Leyen zeigt Entgegenkommen gegenüber Polen und Ungarn. Politiker wie der Grüne Reinhard Bütikofer kritisieren das als falsches Signal.

Wenige Tage nach der Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin durch das Europaparlament geht die Diskussion um die Rechtsstaatlichkeit in Staaten wie Polen und Ungarn weiter. Auf die Frage, ob sie im Rechtsstaats-Streit auf Einsicht in Polen und Ungarn setze, hatte von der Leyen in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ geantwortet: „Wir alle müssen lernen, dass volle Rechtsstaatlichkeit immer unser Ziel ist, aber keiner ist perfekt.“ Zudem wies von der Leyen darauf hin, dass der Riss zwischen Ost und West in der EU „eher eine emotionale Komponente“ habe. „In der mittel- und osteuropäischen Ländern herrscht bei vielen das Gefühl, nicht voll akzeptiert zu sein“, sagte sie.

Von der Leyen weist auf "Flexibilität" im Stabilitätspakt hin

Für Aufsehen sorgte auch ihre Äußerung, es gebe „viel Flexibilität“ im Euro-Stabilitätspakt. Ähnlich hatte sich die künftige Chefin der Brüsseler Behörde bereits bei ihrer Bewerbungsrede im Europaparlament am vergangenen Dienstag geäußert und damit Irritationen im eigenen Lager der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) ausgelöst. Die EVP, die größte Fraktion im Europaparlament, lehnt eine allzu großzügige Auslegung des Stabilitätspakts im Defizitstreit mit Italien ab.

Im Lager der Grünen wurden von der Leyens freundliche Worte an die Adresse der Regierung in Polen und Ungarn sowie ihre Äußerungen zum Stabilitätspakt so interpretiert, als leiste die CDU-Politikerin gewissermaßen hier schon eine Anzahlung für das mutmaßliche Abstimmungsverhalten von Europaabgeordneten der Regierungsparteien aus den betreffenden Ländern.

Dem Vernehmen nach hatten auch Abgeordnete der Fidesz und der PiS am vergangenen Dienstag für von der Leyen gestimmt. Abgeordnete der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung (Cinque Stelle) hatten ebenfalls erklärt, für die Deutsche gestimmt zu haben. Nachprüfbar ist dies allerdings nicht, weil die Wahl geheim war. „Es hat nicht lange gedauert, bis Kommissionspräsidentin von der Leyen anfängt, gegenüber Polen und Italien das Entgegenkommen zu zeigen, das PiS und Cinque Stelle gewinnen wollten, indem sie für sie stimmten“, sagte der Vorsitzende der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer, dem Tagesspiegel. „Das Signal, sie wolle im Rechtsstaatsstreit mit den einen und im Haushaltsstreit mit den anderen behutsamer sein, sollte zumindest Warnlampen angehen lassen“, sagte der Europaabgeordnete weiter.

EU-Experte Emmanouilidis hält Äußerungen nicht für dramatisch

Weniger dramatisch sieht das der EU-Experte Janis Emmanouilidis vom Brüsseler European Policy Centre (EPC). Nach seinen Worten liegt es in der Natur der Sache, dass von der Leyen angesichts ihrer fragmentierten Mehrheit im Europaparlament auch erst einmal gegenüber den Osteuropäern Entgegenkommen signalisiere. Ihre ersten Äußerungen sagten noch gar nichts über ihre endgültige Positionierung im Rechtsstaats-Streit mit Polen und Ungarn aus. „Es wird mit von der Leyen genauso wenig einen Rechtsstaats-Rabatt geben wie mit der vorigen Kommission“, zeigt sich Emmanouilidis überzeugt.

Polens Regierungschef Morawiecki und Kanzlerin Merkel beschäftigen sich eingehend mit dem Sozialausschuss des EU-Parlaments.
Polens Regierungschef Morawiecki und Kanzlerin Merkel beschäftigen sich eingehend mit dem Sozialausschuss des EU-Parlaments.

© imago images / Eastnews

Merkel bestätigt Gespräch mit Polens Regierungschef Morawiecki

Unterdessen bestätigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass sie vor der Wahl von der Leyens mit dem polnischen Regierungschef Ministerpräsident Mateusz Morawiecki telefoniert habe – so wie mit den meisten anderen Staats- und Regierungschefs der EU auch. Am Freitag wurde die Kanzlerin vor den Hauptstadtkorrespondenten danach gefragt, ob die Angaben des polnischen PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski zuträfen, denen zufolge sich Merkel bei Morawiecki regelrecht für das Abstimmungsverhalten der deutschen EVP-Abgeordneten bei der Entscheidung um den Vorsitz im Sozialausschuss des EU-Parlaments entschuldigt habe. Dabei war die PiS-Abgeordnete Beata Szydlo zweimal durchgefallen.

Dazu sagte Merkel am Freitag mit Blick auf ihr Telefonat mit Morawiecki: „Jetzt einfach mit allen möglichen Mehrheitsverhältnissen Menschen niederzustimmen aus Parteien, die man jetzt vielleicht politisch nicht so mag, halte ich für eine Arbeitsweise eines Parlaments jedenfalls aus meiner Kenntnis des deutschen Bundestages für ungewöhnlich. Und das habe ich zum Ausdruck gebracht.“ Laut Medienberichten soll Kaczynski bei einem Besuch des CDU-Generalsekretärs Paul Ziemiak in Warschau im Vorfeld der Wahl von der Leyens im Gegenzug für mögliche PiS-Stimmen gefordert haben, dass die Unionsabgeordneten für die ehemalige polnische Ministerpräsidentin Szydlo als Vorsitzende des Sozialausschuss stimmen. Dies habe Ziemiak allerdings nicht zusagen können.

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