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Figuren von Donald Trump und Angela Merkel aus dem Mainzer Karneval.

© Kai Pfaffenbach/REUTERS

Von Boeing bis Huawei: Vertrauen war gut – ist Misstrauen besser?

Boeing, Huawei, Nord Stream 2, Iran-Sanktionen: Der Ton zwischen Staaten, die sich einst als Partner verstanden, wird immer rauer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Am härtesten werden nationale Wirtschaftsinteressen heute mit moralisch klingenden Argumenten durchgesetzt. Vertrackt daran ist, dass das Publikum zwischen Moral und Interesse nicht mehr unterscheiden kann. Das ist die Folge einer Hyperpolitisierung der globalen Ökonomie – der Tendenz, jenen nationalstaatlichen Egoismus, der in Wirtschaftsbeziehungen schon immer eine Rolle gespielt hat, an oberste Stelle zu setzen. Donald Trump hat es durch die Verwerfung aller Formen des Multilateralismus vorgemacht, andere Staatschefs ziehen nach. Das Ergebnis ist zunehmendes Misstrauen. Jeder gegen jeden.

Beispiel „Boeing 737 Max 8“. Nach dem zweiten Absturz des funkelnagelneuen Flugzeugtyps haben Deutschland und viele andere Staaten ihren Luftraum für diese Maschinen bis auf Weiteres gesperrt. Die Sicherheit der Passagiere habe absoluten Vorrang, heißt es. Die amerikanische Bundes-Luftfahrtbehörde hielt solche Maßnahmen zunächst für übertrieben, zog am Mittwoch aber nach. Boeing konkurriert scharf mit Airbus. Der Imageverlust könnte dem Unternehmen erheblich schaden. Nutzen Airbus-Lobbyisten den jüngsten Absturz zu ihren Gunsten aus? Was ist Moral (Sicherheit der Passagiere), was Interesse (Wettbewerbsvorteil)?

Beispiel Huawei. Deutschland überlegt, dem chinesischen Unternehmen den Zugang zum Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes zu gewähren. Für diesen Fall droht die US-Regierung damit, den Austausch von Geheimdienstinformationen einzuschränken. Offizieller Grund: China betreibt gegen den Westen gerichtete Spionage und könnte durch Huawei in die Lage versetzt werden, sensible Informationen abzuschöpfen. Die Chinesen dementieren. Was ist Moral (Schutz der westlichen Geheimdienste), was Interesse (Abwehr Chinas von westlichen Märkten)?

Beispiel „Nord Stream 2“. Die Ostseepipeline soll russisches Erdgas direkt nach Deutschland bringen. Nach dem geplanten Ausstieg aus Kernkraft und Kohle hält die Bundesregierung die Maßnahme energiepolitisch für notwendig. Insbesondere die US-Regierung protestiert laut. Als Hauptgrund wird Wladimir Putins Verhalten in der Ukraine angeführt. Allerdings würden die Amerikaner in Europa gerne ihr Frackinggas verkaufen. Was ist Moral (Russland für Völkerrechtsverstöße bestrafen), was Interesse (Stärkung des US-Energieexports)?

Beispiel Iran-Sanktionen. Die US-Regierung hat das Atomabkommen aufgekündigt. Nun sehen sich europäische Unternehmen unter Druck gesetzt, ihrerseits keinen Handel mehr mit Teheran zu betreiben. Als Gründe werden der autoritäre Charakter des Regimes, dessen Unterstützung des internationalen Terrorismus und die Bedrohung Israels angeführt. Allerdings ist der Iran inzwischen der größte Abnehmer von amerikanischen Sojabohnen. Mit dem Export werden die US-Landwirte unterstützt, die wegen des Zollstreits mit China starke Einbußen zu beklagen hatten. Was ist Moral (Kampf gegen Terrorismus, Sicherheit Israels), was Interesse (Hilfe für US-Bauern)?

Viele Interessen lassen sich moralisch legitimieren

Natürlich sind das keine scharfen Gegensätze. Sich um die Sicherheit von Flugpassagieren zu sorgen, westliche Geheimdienste vor Spionage zu schützen, die Sicherheit Israels zu gewährleisten oder Russland für Rechtsverstöße zu bestrafen, sind durchaus auch Interessen, sehr handfeste sogar. Und umgekehrt lassen sich viele Interessen moralisch legitimieren.

Doch wie so oft macht der Ton die Musik. Wenn etwa bei Nord Stream 2 suggeriert wird, das Projekt knüpfe an den Hitler-Stalin-Pakt an, oder beim Iran, dass, wer mit dem Land Handel treibe, die Lehre aus Auschwitz negiere, dann drängt sich schnell die Cui-bono-Frage auf. „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen“, soll Charles de Gaulle einst gesagt haben. Trotz Europäischer Union, Nato und westlichem Wertebündnis ist diese Einsicht wieder sehr aktuell geworden. Soll man sagen – leider?

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