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Gesundheitsminister Karl Lauterbach war schon vor seiner Ernennung in der Partei umstritten.

© dpa

Vom Volksliebling zum Getriebenen: Karl Lauterbach und seine missglückten Gesetzentwürfe

Als Mediziner ist Lauterbach geschätzt, als Bundesgesundheitsminister folgt eine Panne der anderen. Hat er sein Haus im Griff?

Ein Gesetzentwurf ist kein wissenschaftlicher Aufsatz. Das muss Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dieser Tage schmerzlich lernen. Denn hätte er über die Frage, nach welchen Kriterien knappe intensivmedizinische Ressourcen in pandemiebedingten Notlagen gerecht verteilt werden sollen, einen Aufsatz geschrieben, Lauterbach hätte heute wahrscheinlich kein massives Glaubwürdigkeits-, Autoritätsverlust- und Kommunikationsproblem.

Der Medizinprofessor hätte eine provokante Gegenthese zu der herrschenden Meinung formuliert, wonach eine bereits begonnene Behandlung von Patienten nicht gegen deren Willen abgebrochen werden darf. Diese hätte er sodann diskutiert – und am Ende womöglich wieder verworfen.

Doch ein problematischer Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministeriums zur Regelung der Triage, einem bioethisch hochsensiblen Sujet, ist eben kein akademischer Rohentwurf. Es lässt sich nicht wieder einfangen, wenn man den medizinethischen Tabubruch als Kompromiss mit dem Justizministerium verkauft hat. Vor allem aber ist der Gesundheitsminister in Erklärungsnöten, wie er binnen vier Tagen eine Kehrtwende vollzog – und den eigenen Entwurf wieder einkassierte.

Chaotische Alleingänge, Widersprüche im Agieren, gepaart mit Beratungsresistenz, einem belehrend-besserwisserischen Kommunikationsstil sowie der augenscheinlichen Überforderung, politische Allianzen zu bilden, haben die Zweifel an seiner politischen Handlungsfähigkeit bestärkt.

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Der ohnehin schmale Rückhalt im Ministerium, im Kanzleramt und in der eigenen Fraktion ist zuletzt bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft: Der Mann, der als Gesundheitsminister der Herzen gestartet war, hat seinen Vorschusskredit binnen weniger Monate verspielt.

Das ist umso tragischer, als Lauterbachs Grundüberzeugung tatsächlich auf das Patientenwohl, die Versorgungsqualität und den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen ausgerichtet ist. Die Menschen im Land aber profitieren davon momentan nur wenig. Derzeit wirkt Lauterbach wie ein Getriebener – die Skrupellosigkeit, mit der große Teile der FDP ihn immer wieder auflaufen lassen, beflügelt diese Dynamik noch.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt bislang eigentlich kein Projekt des Ministeriums, das er unbeschadet vom Start ins Ziel brachte. Dafür wimmelt es nur so von leeren Ankündigungen, die offensichtlich nur selten im eigenen Haus abgestimmt werden, geschweige denn mit dem Kanzler.

Ein Versprechen wiederholt Lauterbach mantraartig

Die in der breiten Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommen Volte – vor dem Triage-Desaster – war zweifelsohne Lauterbachs Ankündigung, die Isolationspflicht für Corona-Infizierte aufheben zu lassen, nur um diese dann per Twitter und Talkshow-Auftritt wieder zu kassieren.

In Fachkreisen gilt allerdings das Hin und Her über ein Gesetz zur Stabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als wohl skurrilste Performance Lauterbachs – die zu Einkommensverlusten gesetzlich Versicherter führen könnte.

Denn auf die GKV kommt 2023 ein Defizit von mindestens 17 Milliarden Euro zu; es braucht Lösungen, um dieses nicht allein durch Beitragssteigerungen auszugleichen. Anfang März kündigte Lauterbach das erste Mal einen Gesetzentwurf an, der wenige Tage später auch kam. Das Ministerium behauptet aber, es gebe ihn nicht offiziell.

Vor zwei Wochen versprach Lauterbach erneut, einen Entwurf zu präsentieren – der nicht kam. Jede weitere Woche schmälert dabei die Verhandlungsposition Lauterbachs, der dringend darauf angewiesen ist, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit einem Steuerzuschuss für die GKV aushilft.

Ein Versprechen wiederholt Lauterbach dabei mantraartig: Die GKV-Finanzmisere werde nicht zu Leistungskürzungen führen. Wie das gehen soll, kann in Fachkreisen derzeit niemand beantworten – im Ministerium auch nicht. Wie man überhaupt im Hause Lauterbach zusehends in immer größere Nöte gerät, die Politik des Ministers zu erklären. Und so drängt sich die Frage auf, ob der Minister selbst noch weiß, wohin er will.

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