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Das Smartphone ist fester Teil unseres Alltags - aber längst nicht alle Deutschen sind fit im Umgang damit.

© VALERY HACHE / AFP

Volkshochschul-Angebot „Stadt Land Datenfluss“: Wie eine Weiterbildungs-App die Deutschen fit fürs Digitale machen soll

Grundkurs Digitalisierung: Eine neue App bietet Nachhilfe in Datenkompetenz. Kritiker:innen aber zweifeln am Nutzen des Angebots.

Die meisten Deutschen besitzen inzwischen ein Smartphone, längst nicht mehr nur jüngere Menschen. In der digitalisierten Welt wird es immer wichtiger. Zunehmend sollen auch Behördengänge mobil erledigt werden können. Noch aber ist die deutsche Verwaltung wenig digital.

Und auch unter Bürger:innen gibt es Nachholbedarf: Wer nicht zur Generation der „Digital Natives“ gehört, muss sich nicht nur mit der Bedienung von Smartphones vertraut machen. Man sollte auch wissen, welche Informationen das Gerät bei der Nutzung mit welchen Dritten austauscht.

Denn wir geben viel Preis über unser Verhalten, unseren Aufenthaltsort und unsere Vorlieben, teils ohne das zu merken. Um spielerisch ein Verständnis für die Rolle von Daten in unserem Alltag zu vermitteln, hat die Bundesregierung vor kurzem ein neues Weiterbildungsangebot gestartet, Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Schirmherrin des Programms.

Die App mit Namen „Stadt Land Datenfluss“, die von den Volkshochschulen in Zusammenarbeit mit Expert:innen entwickelt wurde, steht seit Ende Februar zum Download bereit. Wer kein Smartphone hat, kann den Kurs auch am Rechner oder am Tablet machen. Dafür gibt es eine weniger spielerisch aufgemachte Kurs-Version im sogenannten KI-Campus, einer vom Bundesbildungsministerium geförderten Lernplattform.

Datenkompetenz für alle – das ist ein Ziel der Bundesregierung in ihrer vor kurzem veröffentlichten Datenstrategie. „Data Literacy“ lautet der Fachbegriff dafür, er kann etwa mit Medienkompetenz in der digitalen Welt gleichgesetzt werden. „Wir alle nutzen täglich digitale Daten und hinterlassen Datenspuren im Netz“, sagt etwa Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU).

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„Allerdings fehlt oftmals der kompetente Umgang mit den Daten und digitalen Anwendungen.“ Deshalb brauche es Bär zufolge ein „Grundverständnis für digitale Angebote“ in der Bevölkerung.

Mit Quizfragen zu mehr Datenkompetenz

Dafür gibt es nun zum Beispiel die App. „Stadt Land Datenfluss“ ist als virtuelle Stadt angelegt, die um eine Wissensbasis – eine Volkshochschule – herum aufgebaut ist. In diesem Bereich können Nutzer:innen Quizfragen zum Thema Daten beantworten.

Auf den angrenzenden Feldern, die sich an den Lebensbereichen Gesundheit, Mobilität und Arbeit orientieren, können vertiefende Lektionen durchgespielt werden: Wie funktioniert eine Smartwatch, welche Informationen über mich sammelt und teilt sie? Wie kommunizieren Ampel und Fahrzeuge in der vernetzten Stadt miteinander? Wie sicher sind Videokonferenzen, die im Zuge der Pandemie eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben eingenommen haben? Was ist Phishing?

Auf dem Spielplatz in der virtuellen Stadt können die gesammelten Wissenspunkte eingetauscht und damit Spiele freigeschaltet werden.

"Als ob man in einem fremden Land mit einer fremden Währung an der Supermarktkasse stehe"

„Datenkompetenz ist so wichtig wie Rechnen, Lesen und Schreiben“, sagt die Direktorin des Volkshochschulenverbands, Julia von Westerholt, deren Team die App entwickelt hat. Sie glaubt, dass viele sich in der digitalen Welt noch verloren fühlen. Das sei in etwa so, als ob man in einem fremden Land mit einer fremden Währung an der Supermarktkasse stehe.

Man habe kein Gespür dafür, wie viel diese Währung wert sei und was man sich dafür kaufen könne. „Wir wollen den Menschen mit der App Handlungssicherheit in der digitalen Welt vermitteln“, sagt sie.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Volkshochschulen mit Katharina Schüller zusammengearbeitet, der Gründerin des Data-Analytics-Unternehmens Stat-Up aus München. Sie war für die Konzeption des Curriculums der App zuständig. „Wir wollen keine Data Scientists – also Experten für Datenanalyse – ausbilden, sondern Datenkompetenzen als Teil der Allgemeinbildung etablieren.“

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Deswegen zeige die App spielerisch, welche Risiken es gibt, aber vor allem welche Chancen. „Damit die Bürgerinnen und Bürger souverän mit ihren Daten umgehen können“, so Schüller.

5000 Leute haben die App heruntergeladen - das sind nicht viele

Laut dem Verband der Volkshochschulen wurde die App in den ersten zwei Wochen über 5000-mal heruntergeladen – ausbaufähig. Aktuell arbeiten die Volkshochschulen noch im Pandemie-Modus, doch wenn der Unterricht wieder beginnt, könnten auch die anlaufenden Werbemaßnahmen für das Programm Wirkung zeigen. Projektleiterin Gabi Netz vom Volkshochschulenverband erhofft sich davon „in nächster Zeit weitere breite Resonanz“. Das Angebot soll auch im Unterricht eingesetzt werden.

Dorothee Bär bittet Verbände um Mithilfe, die App bekannter zu machen

Auch das Bundespresseamt leistet Unterstützung beim Bekanntmachen der App. Bei einer Gesprächsrunde mit Regierungssprecher Steffen Seibert und Dorothee Bär wurden Multiplikator:innen aus Verbänden und Organisationen um Mithilfe gebeten. Die Volkshochschulen freuen sich über die angekündigte Unterstützung von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und möglicherweise vom Bundeselternrat.

Senior:innenverband habe sich begeistert geäußert

Die erste Version ist klar ausgerichtet auf Nutzer:innen, die noch nicht sehr viele Grundlagen haben. Der Senior:innenverband habe „großes Lob für die leichte Zugänglichkeit der Inhalte und die verständliche Darstellung der Informationen“ ausgesprochen, berichtet die Projektverantwortliche Netz.

Die App stoße aber auch auf „ganz besonderes Interesse im Bereich der schulischen Bildung“, beziehungsweise bei Lehrkräften, die die Datenfragen und -spiele im Unterricht anwenden wollen.

Junge Menschen dürfte die App unterfordern

Das dürfte digital fitte Kinder und Jugendliche leicht unterfordern. „Wir im DVV können uns eine Überführung der curricularen Grundlagen, der Lernziele und Inhalte in eine ‚Schul’-Version der App sehr gut vorstellen“, sagt Netz jedoch.

In Kreisen von anderen Organisationen, die Digitalkompetenzen vermitteln wollen, reagierte man teils überrascht über den Launch der Eigenbau-App der Volkshochschulen. Es gibt Zweifel daran, wie viel ein solches Angebot wirklich bringt und es nicht eher Ernüchterung bei den Verbraucher:innen – und Wähler:innen – hervorrufe, wenn die „Stadt Land Datenfluss“-App als großer Wurf verkauft werde.

Schließlich verkenne niemand, dass es eine Mammutaufgabe ist, die deutsche Gesellschaft fit für die digitale Welt zu machen.

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