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Im Hauptbahnhof von Zürich hängen Plakate gegen die erleichterte Einbürgerung junger Ausländer.

© dpa

Volksentscheid: Schweiz erleichtert Einbürgerung von Einwanderern der dritten Generation

Die Schweiz zeigt sich weltoffen. Bei einem Volksentscheid stimmte eine Mehrheit für eine erleichterte Einbürgerung der Enkel von Einwanderern. Die rechte SVP scheiterte mit ihrer Angstkampagne.

Eine klare Mehrheit der Eidgenossen stimmte am Sonntag für die erleichterte Einbürgerung junger Ausländer der dritten Generation. Damit folgen die Schweizer einem Vorschlag ihrer Regierung – und die Bürger des kleinen, reichen Landes demonstrierten, das sie in der Ausländerpolitik auch auf pragmatische Lösungen setzen. Eine ähnliche Initiative zur erleichterten Einbürgerung war noch 2004 gescheitert.

Die Schweiz ist ihre Heimat, sie sind hier zu Hause“, betonte Justizministerin Simonetta Sommaruga mit Blick auf die jungen Leute ohne Schweizer Pass. Gegen das Konzept hatte die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) um den Milliardär Christoph Blocher mobil gemacht: Die SVP überzog das Land mit einer rüden Kampagne, die offen islamfeindliche Züge trug. Auf SVP-Plakaten prangte eine verschleierte Frau und es hieß: „Noch mehr Menschen aus der Türkei und dem Balkan“ würden alle Rechte als Schweizer erhalten, falls die Regierung sich mit Ihrer gefährlichen Idee einer „Masseneinbürgerung“ durchsetze. Die 40000 Einbürgerungen jährlich im dem Land mit 8,3 Millionen Einwohnern seien genug. Die Volkspartei hoffte, an ihren Triumph von 2014 anzuknüpfen: Damals sprach sich eine Mehrheit der Schweizer für die SVP-Initiative zur starken Drosselung der „Masseneinwanderung“ aus. Mit dem deutlichen Ja der Schweizer zur Einbürgerung erleidet die SVP nun eine klare Schlappe.

In der Urne ging es nicht um die Frage, ob die Schweiz die jungen Fremden einbürgern solle, sondern um die Frage, wie das geschehen soll. Jetzt ist klar: In Zukunft werden die Bundesbehörden die jungen Ausländer einbürgern und nicht mehr die Kantone und Gemeinden. Die Abklärungen werden zum größten Teil schriftlich erfolgen. Durch die Verlagerung an den Bund verspricht sich Justizministerin Sommaruga schnellere und billigere Prozesse: Die „Schweizermacher“ sollen aufs Tempo drücken. Bislang müssen diejenigen jungen Ausländer, die Schweizer werden wollten, eine sogenannte ordentliche Einbürgerung in den Kantonen und Gemeinden über sich ergehen lassen. Die Verfahren ziehen sich über Jahre hin, sie kosten viel Geld. Dabei kommt es in den Amtsstuben oft zu Wissensprüfungen, die an Verhöre erinnern.

Reform der Unternehmensbesteuerung abgelehnt

Der quälende Schweizer Einbürgerungsmarathon schreckt viele Fremde ab – und ist auch ein Grund für den hohen Ausländeranteil von 25 Prozent in dem Land. Wer sich einbürgern lassen will, muss bestimmten Kriterien genügen: „Niemand wird automatisch eingebürgert“ stellt die Justizministerin klar. Die Ausländer dürfen nicht älter als 25 Jahre sein, sie müssen in der Schweiz geboren sein und ein „Großelternteil muss in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht erworben haben oder schon hier geboren worden sein“, erklärt Sommaruga.

Die Aspiranten müssen „vor allem gut integriert sein“ und Rechtsordnung und Verfassung respektieren, so etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Sie müssen zudem einer der vier Landessprachen mächtig sein, sie dürfen nicht überschuldet sein und müssen ihre Steuern entrichten. „Wer Sozialhilfe bezieht, kann sich nicht einbürgern lassen“, stellt die Regierung klar. Doch die Einbürgerung bringt auch Pflichten: So müssen die jungen Männer, die sich mit dem roten Pass ausweisen dürfen, zur Schweizer Armee einrücken.

In einer weiteren Abstimmung lehnten die Schweizer eine Reform der Unternehmensbesteuerung mit deutlicher Mehrheit ab. Regierung, Parlament und die bürgerlichen Parteien wollten international geächtete Steuerprivilegien für bestimmte Firmen abschaffen. Das geschieht nun nicht.

Die betroffenen Unternehmen beschäftigen gut 150000 Menschen in der Schweiz und zahlen erhebliche Steuerbeträge. Die vorwiegend linken Gegner der Reform warnten vor enormen öffentlichen Einnahmeausfällen. Der Staat würde dann den einfachen Steuerzahler stärker zur Kasse bitten. Dieses Szenario wirkte offensichtlich auf viele Eidgenossen abschreckend.

Jan Dirk Herbermann

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