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Vertreter der Herero- und Nama-Communities gedenken in Swakopmund der Opfer des deutschen Völkermords an ihren Vorfahren.

© Christian Ender/Getty Images

Update

Völkermord-Streit zwischen Deutschland und Namibia: Herero und Nama fordern neues Versöhnungsabkommen – und hoffen auf die Grünen

cHerero und Nama wollen neu über Wiedergutmachung für den deutschen Völkermord an ihren Vorfahren verhandeln. Doch die Bundesregierung wiegelt ab.

Es ist ein diplomatischer Scherbenhaufen, den die Ampel von der Groko geerbt hat: das „Aussöhnungsabkommen“ zwischen Deutschland und Namibia. Fast sechs Jahre hatten die beiden Staaten über eine Wiedergutmachung für den deutschen Völkermord an rund 100.000 Herero und Nama vor mehr als 100 Jahren verhandelt, doch unterzeichnet wurde das Abkommen bislang nicht.

Bei den Nachfahren der Opfer dominiert die Wut über Deutschland.

Dass sich das mit der neuen Bundesregierung ändert, hoffen nun Vertreter der Herero und Nama – und setzen dabei vor allem auf Außenministerin Annalena Baerbock. Sie wünschen sich von der Grünen-Politikerin einen Neustart in dem Genozid-Streit.

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Heftige Proteste in Namibia

Ihr Ziel: Eine offizielle Entschuldigung und Entschädigungen. „Wir freuen uns auf freundliche Gespräche“, sagte Gaob Isaack, Chef der „Nama Traditional Leaders Association“ am Mittwoch bei einer Online-Pressekonferenz. Mit den Grünen verbinde seine Organisation eine alte Freundschaft. „Wir sind zuversichtlich, dass wir Freunde in der Bundesregierung haben, die eine Lösung finden wollen.“

Das klingt ganz anders, als die Stimmen, die bislang von den Herero- und Nama-Verbänden zu hören waren. Die 1,1 Milliarden Euro „Wiederaufbauhilfe“, die Deutschland angeboten hat, lehnen sie als „Beleidigung“ ab. Vor allem sind die Aktivistinnen und Aktivisten frustriert, dass sie nicht in die Verhandlungen eingebunden waren. Im September 2021 waren die Proteste in Namibia so heftig, dass das Nationalparlament die Sache vertagen musste.

Nun hoffen die Verbände auf Neuverhandlungen mit der Hilfe der Grünen. Man habe bereits Gespräche mit Parteivertretern geführt, sagte die Nama-Aktivistin Sima Luipert. Im Dezember sei ein Brief mit der Bitte um ein Treffen an Baerbock gegangen.

Deutschland bietet 1,1 Milliarden Euro

Für Neuverhandlungen mit denn Opferverbänden müsste Baerbock allerdings das vom Ex-CDU-Politiker Ruprecht Polenz ausgehandelte „Aussöhnungsabkommen“ einstampfen. Das wünschen sich Herero und Nama. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Denn offenbar will die Bundesregierung an dem Abkommen festhalten – oder zumindest die ausgeschlossenen Opferverbände nicht nachträglich einbinden. „Verhandlungspartner der Bundesregierung ist und bleibt die namibische Regierung“, sagte ein Sprecher des Auswärtigem Amts am Mittwoch in Berlin. Es habe in den Verhandlungen „ein Zusammenschluss von 24 traditionellen Autoritäten und Königshäusern beratend zur Seite“ gestanden. Was der Sprecher nicht sagt: Auch viele Beteiligte haben sich längst von dem Abkommen distanziert.

Im Koalitionsvertrag ist von Neuverhandlungen keine Rede. „Das Versöhnungsabkommen mit Namibia kann der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein“, heißt es. Die Bundestagsabgeordnete Deborah Düring, die in der Grünen-Fraktion für das Thema zuständig ist, fordert, „dass wir die Belange und Kritik der direkten Nachfahren der betroffenen Ovaherero und Nama ernst nehmen“. Es sei ein „wichtiges Zeichen, dass Deutschland die Kolonialverbrechen im heutigen Namibia als Völkermord anerkennt“. Offiziell geschehen ist das jedoch bislang nicht, da das Abkommen eben noch nicht unterzeichnet ist. „Unsere Verantwortung gebietet es, die Aussöhnung mit Namibia voranzutreiben“, sagt Düring. Ob das ein neu verhandeltes Aussöhnungsabkommen einschließt, lässt sie offen.

Bei SPD und Grünen war man zuletzt nicht gerade überzeugt von dem vorliegenden Abkommen. So hat der SPD-Abgeordnete Helge Lindh im Sommer 2021 die 1,1 Milliarden Euro „Wiederaufbauhilfe“ als zu gering kritisiert. Der Grüne Ottmar von Holtz, inzwischen Ex-Bundestagsabgeordneter, forderte vergangenen Herbst Neuverhandlungen. In einem Antrag der Grünen-Fraktion hieß es 2020, die Aufarbeitung kolonialer Verbrechen müsse „inklusiv, aktiv und unter Beteiligung der von kolonialem Unrecht betroffenen Communities“ erfolgen. Darauf beziehen sich Herero und Nama jetzt ausdrücklich.

Doch damals waren die Grünen in der Opposition. Das letzte Mal, als sie im Bund regierten, gab es schon einmal einen Versuch der Versöhnung mit Namibia. Im August 2004 bat die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in Namibia um Entschuldigung für den Völkermord. Doch kurz darauf wurde sie von der eigenen Regierung zurückgepfiffen, ihr Statement als Einzelmeinung abgetan. Der Außenminister hieß damals: Joschka Fischer – von den Grünen.

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