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So streitet man sich in der SPD: Olaf Scholz, Klara Geywitz , Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken im Willy-Brant-Haus.

© imago images/Metodi Popow

Vizekanzler vollzieht Strategiewechsel: Plötzlich kämpft Olaf Scholz wirklich um den SPD-Vorsitz

Das Kandidaten-Rennen um den SPD-Vorsitz war bislang geprägt durch zu wenig Redezeit und fehlende Leidenschaft. Erst ganz zum Schluss wird es spannend.

Von Hans Monath

Die Endphase im Wahlkampf der sozialdemokratischen Vorsitzendenkandidaten wird spannender, als viele erwartet haben. Am kommenden Montag treten die Duos Klara Geywitz mit Olaf Scholz und Saskia Esken mit Norbert Walter-Borjans wieder in einem Rededuell gegeneinander an, das diesmal vom Politikkanal „Phoenix“ übertragen wird.

Bei den 23 Regionalkonferenzen hatten zuletzt sechs Kandidaten-Duos auf der Bühne gestanden, denen nur wenig Redezeit zur Verfügung stand und die sich kaum einen Schlagabtausch lieferten. Das neue, viel kleinere Format, in dem sich die zwei Politikerpaare gegenüberstehen, ermöglicht eine völlig andere politische Dynamik, als das erste Duell der Vier am Dienstagabend. Auch die kommenden Auseinandersetzungen dürften davon geprägt sein.

In der Vorrunde hatte sich Vizekanzler Scholz kaum bemüht, die Seele seiner Partei zu streicheln, wirkte deshalb auch nicht leidenschaftlich. Das hat sich geändert. Denn der Politiker, der seit Jahren mit kühlem Verstand die SPD als Vizechef mitführt und ihre Regierungsarbeit koordiniert, ist zum Kämpfer mutiert. Mit lauten, scharfen Zwischenrufen und Attacken setzte er den beiden Herausforderern zu, spielte seine Erfahrung und vor allem sein Fachwissen etwa in Kontroversen um die CO2-Bepreisung aus. Damit ließ er Esken und Borjans, der als früherer NRW-Finanzminister immerhin vom Fach ist, nicht gut aussehen.

Warum sich Olaf Scholz bremsen muss

Zudem führen Geywitz und Scholz nun ein Argument ins Feld, das auch auf Emotionen zielt: Beide werfen der Digitalpolitikerin Esken und dem zurückgekehrten Politik-Pensionär aus Köln vor, die Erfolge der SPD schlechtzureden und der Partei damit zu schaden. Der Bundesfinanzminister ging sogar so weit, dass er ihnen eine Forderung präsentierte: Im Falle, dass Geywitz und er als Sieger und Parteichefs aus der Urabstimmung hervorgingen, erwarte er, dass Esken und Borjans dann loyal den ungerechten Kritikern entgegentreten würden. Es war ein Appell an den in der SPD zwar nicht immer praktizierten, aber stets beschworenen Wert der Solidarität. Esken und Borjans müssten sich allerdings selbst dementieren, wenn sie dem folgen wollten.

Seine fachliche, auch rhetorische Überlegenheit darf Scholz allerdings nicht voll ausspielen. Der Finanzminister ist dafür bekannt, dass er Situationen gründlich analysiert, bevor er handelt. In der Endphase des Wettbewerbs will er vermeiden, die Partei weiter zu spalten. Denn als Vorsitzender würde es eine seiner Aufgaben sein, sie gemeinsam mit Geywitz wieder zusammenzuführen. Sollte er Esken und Borjans als gänzlich illoyal oder inkompetent angreifen, was bei deren teils unklaren Positionen möglich wäre, würde er sich jeden Weg verbauen, deren Anhängerschaft nach einem Sieg an sich zu binden. Er muss beiden im Gegenteil eine Perspektive in der SPD für den Fall anbieten, dass sie verlieren.

Das allerdings ist keineswegs ausgemacht. Die Herausforderer behaupten, eine unbeugsam linke SPD könne mehr Erfolge einfahren. Die Folgen eines Groko-Ausstiegs reden sie gezielt klein. Eine ihrer Hauptangriffslinien zielt auf die Glaubwürdigkeit von Scholz. Ob es ihm keine Sorgen mache, dass ihm viele misstrauten, fragte Borjans. Beide sind Anführer einer Sammelbewegung, in der Gegner der Groko und Kritiker des Parteiestablishments zusammenkommen. Geywitz und Scholz versuchen die Bewegung durch Gegenreden einzudämmen. Doch angestauter Unmut hört oft nicht auf Argumente. Eine Art Brexit in der SPD mit progressivem Anspruch scheint weiter nicht ausgeschlossen.

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