zum Hauptinhalt
Immer wieder: Angela Merkel

© AFP

Vierte Kanzlerkandidatur: Merkel muss mehr Inhalte wagen

Die Bundeskanzlerin kandidiert noch einmal: Angela Merkel kann im Amt bleiben - und sie kann abgewählt werden. Deshalb sollte sie jetzt für politische Konzepte streiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Sie will’s wissen, sie kandidiert noch einmal. Zum vierten Mal! Und wenn Angela Merkel gewählt würde, wenn sie dann noch die gesamte Legislaturperiode durchhielte – dann wäre sie so lange im Amt wie Helmut Kohl. Unvorstellbar.

Unvorstellbar? Nichts ist undenkbar, nichts ist unvorstellbar. Merkel kann im Amt bleiben, und sie kann abgewählt werden. Wer dachte, dass nach Kohl, dem Rekordkanzler, keiner mehr so lange bliebe, weil ein Wechsel schon auch mal gut tut, der wird jetzt eines Anderen belehrt. Nein, nicht eines Besseren. Denn so wie Kohl abgewählt wurde, weil der Mangel an Reformen das Land in Mehltau getaucht hatte, und weil Gerhard Schröder das richtige Angebot zur richtigen Zeit gemacht hat – so kann es jetzt auch gehen.

Kann. Eben wenn von jetzt an übers richtige Angebot fürs Land gestritten wird.

In der CDU ist Merkel alternativlos - und die CSU ebenso

Zunächst einmal: Es wäre ein Witz gewesen, hätte Merkel hingeworfen. So wäre es nämlich in ihrer eigenen Partei empfunden worden. Die CDU ist doch auf sie ausgerichtet wie nie eine Partei zuvor auf irgendjemanden. Sie ist inhaltlich gewendet, politisch durchgewalkt, personell ausgezehrt. Oder anders: Diejenigen, die nach Merkel kommen könnten, sind noch zu jung. Die Älteren haben ihre Chance hinter sich.

Wer von den Granden hat schon aufbegehrt gegen Merkels Kurs? Der führte in Richtung SDU, Sozialdemokratische Union, Grün gesprenkelt, wenn es passt, und wenn es Not tut, kommt die CSU von rechts, um sie zu stützen. Jawohl, ohne die CSU gäbe es die Kanzlerin nicht. Dann hätte sie keine Mehrheit. Linke und Grüne mögen vielleicht ihre Art, stimmen deshalb aber noch lange nicht für sie.

In der Flüchtlingspolitik hat die Kanzlerin dann aller Welt gezeigt, wie sie regiert – und es hat keiner empört reagiert.

Merkels Glück ist die SPD, die sich Widerspruch nicht traut

Angefangen hat sie humanitär, so dass es sogar Gegnern gefiel, geendet ist ihr Kurs mit einer unerklärten Wende. Und geradezu reaktionär. Mit der härtesten Asylgesetzgebung in der Geschichte der Republik, verabschiedet in Rekordzeit. Und die SPD fiel um. Da liegt das Problem, das zugleich Merkels Glück ist. Die größte Partei nach der Union, also CDU und CSU zusammen, traut sich nicht. Deshalb lässt sie es der Kanzlerin durchgehen, dass die ihre Politik nie erklärt. Dass sie sich sozialdemokratische Positionen aneignet. Dass sie mit den Grünen kokettiert. Dass man bei ihr vor allem die begabte Machtpolitik registriert.

Aber wofür will Merkel die Macht haben? Wozu sie behalten? Wohin will sie mit dem Land? Wenn die Wahl von Donald Trump in den USA eines lehrt – dann doch, dass Hochmut vor dem Fall kommt.

"Merkel muss weg!", demonstrieren Rechtspopulisten in Berlin.
"Merkel muss weg!", demonstrieren Rechtspopulisten in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Dass mit den Menschen geredet werden muss, ist das eine. Dass die wissen wollen, was geschehen wird, das nächste. Es geht ums Ernstnehmen: der Sorgen, der Ängste, der Aufgabe. Die Aufgabe lautet, den Kurs Deutschlands festzulegen, aber nicht in einer Art Geheimkabinett wie in vorigen Jahrhunderten.

Mehr Willy Brandt wagen, weniger Helmut Kohl sein!

Dem Populismus entgegenzutreten, verlangt Fakten, immer wieder Fakten, und Transparenz. Wirklich etabliert ist, wer keine Debatte fürchtet.

Das gilt für die SPD, getreu dem Wahlspruch: Die Zukunft will errungen werden. Und es gilt für Merkel.

Ihre Form der Moderation dessen, was buchstäblich auf uns zukommt, und dessen, was ihr einfach immer zu geschehen scheint, muss jetzt unbedingt ins große Gespräch der Gesellschaft münden. Oder so: Mehr Willy Brandt wagen, weniger Kohl sein.

Und die SPD? Sollte wissen, mit wem sie was will

Eigentlich spricht das sogar ein wenig für die SPD. Dafür allerdings muss die genau wissen, mit wem sie was will. Muss sie also doch schnell den Spitzenkandidaten benennen, um dann das Programm zu schreiben, das sie mit den Wählern, und der einen an der Regierungsspitze, Merkel, diskutieren will.

Die SPD muss sich stellen, und sie muss Merkel stellen. Sage niemand, es wären keine Richtungsentscheidungen möglich: in Deutschland, für Europa, in der Welt. Wer sich nicht entscheidet, über den wird entschieden. In einer Demokratie haben wir die Wahl. Es wäre nur gut zu wissen, zwischen was.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false