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Mediziner auf einer Coronastation in Moskau

© AFP/Dimitar Dilkoff

Vierte Corona-Welle wütet: Putin schickt Russland in Quarantäne

Eine vierte Welle von Corona-Infektionen erfasst Russland. Staatschef Putin ruft einen Zwangsurlaub aus. Er selbst arbeitet seit Monaten weitgehend isoliert.

So haben die Russen Wladimir Putin in den 22 Jahren seiner Zeit an der Macht noch nie erlebt: völlig ratlos. Und er gibt es selbst zu. Es sei das stärkste Eingeständnis des Präsidenten seit vielen Monaten, schrieb der angesehene Publizist Andrej Kolesnikow. Vielleicht seit Jahren.

Seit Wochen tobt die vierte Welle der Corona-Infektionen im Land. Am Donnerstag wurden 36.339 positiv Getestete offiziell registriert, die Zahl stagniert auf hohem Niveau. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer weit höher liegt. Am gleichen Tag sind in den Krankenhäusern wieder, wie schon an einigen Tagen zuvor, mehr als 1000 Menschen gestorben. Die Zahl der mit Covid verbundenen Toten liegt offiziell inzwischen bei 227.389.

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Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa hat daraufhin am Mittwoch in einer Videokonferenz der russischen Regierung mit Putin den Vorschlag gemacht, die traditionell freien Tage Anfang November zu verlängern. In diesem Jahr soll vom 30. Oktober bis 7. November in ganz Russland nicht gearbeitet werden. Allein die Tatsache, dass der Vorschlag von einer Ministerin kam, war schon bemerkenswert. Für gewöhnlich gibt der Präsident vor, was gemacht wird.

Aber der ist ratlos. „Ich verstehe es einfach nicht. Ich verstehe nicht, was vor sich geht!“, sagte Putin in der vom Fernsehen übertragenen Passage der Videokonferenz. Zuvor hatte der Präsident berichtet, dass sich auch viele Menschen aus seinem nächsten Bekanntenkreis noch nicht hätten impfen lassen. „Merkwürdig. Menschen mit guter Bildung, mit wissenschaftlichen Qualifikationen.“

Experten zweifeln an der Wirkung

Das Misstrauen gegen die fünf eigenen Impfstoffe, über die Russland inzwischen verfügt, ist in der Bevölkerung weiterhin groß. Ausländische Vakzine sind nicht zugelassen. Nicht einmal 40 Prozent der Bevölkerung sind geimpft, auch testen lassen sich die Russen ungern und Masken werden viel zu wenig genutzt. Deshalb soll jetzt das öffentliche Leben wieder heruntergefahren werden. In Moskau schließen die Museen, Theater, Kinos, der Zoo, Solarien, große Einkaufszentren und Frisöre. Durch die Parks spazieren dürfen die Moskauer noch. Aber am liebsten wäre es den Behörden, sie würden sich auf ihre Datschen zurückziehen.

Putin selbst lebt seit Monaten weitgehend isoliert. Selten empfängt er ausländische Gäste, zum bevorstehenden G20- Gipfel in Rom wird er per Video zugeschaltet. Als er nach der Wahl die Duma-Abgeordneten im gewaltigen Georgssaal des Kreml empfing, mussten diese einen Impfnachweis vorweisen und Mundschutz tragen. Dennoch durften sie sich dem Staatsoberhaupt nur bis auf 50 Meter nähern, und sie konnten keine Fragen stellen.

Experten zweifeln daran, dass die Verlängerung der Novemberferien Besserung bringt. Zum einen, weil der Lockdown viel zu kurz ist, wie der Virologe Sergej Netesow auf der Online-Plattform „Rosbalt“ meinte. „Wenn man eine solche Maßnahme trifft, dann muss sie mindestens drei Inkubationszeiten lang sein“, ist er überzeugt, also mehr als zwei Wochen. Zum anderen scheinen sich die Russen keineswegs auf die Datscha zurückziehen zu wollen. Unmittelbar nach der Bekanntgabe der Ferien seien die Buchungen für Reisen um ein Drittel gestiegen, schreibt die Wirtschaftszeitung „Kommersant“.

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