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Die jüngste Premierministerin der Welt: Die Finnin Sanna Marin.

© imago images/Lehtikuva

Vier-Tage-Woche in Finnland?: Endlich spricht die Welt darüber!

Eine alte Idee der finnischen Ministerpräsidentin macht mit Verzögerung international Schlagzeilen. Zu Recht, denn sie ist revolutionär. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da kann man mal sehen, welche Wirkung Worte entfalten, die nur dahingesagt zu sein scheinen. Sanna Marin dachte im vergangenen Sommer, damals noch finnische Verkehrsministerin, öffentlich über eine Vier-Tage-Woche nach.

Jetzt, nachdem sie jüngste Regierungschefin der Welt ist, Premierministerin der 5,5 Millionen Finnen, schlagen die Wellen hoch.

Derart hoch, dass immer mehr denken, sie müssten die Worte schon für die Tat nehmen; oder mindestens als Beginn einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft. So weit ist es nicht, das betont die Regierung in Helsinki eilig. Aber der Gedanke ist in der Welt. Und den dementiert sie nicht.

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Warum soll Marin auch. Nein, sagt er doch zugleich: Es gibt noch Sozialdemokraten! Die hier will offenkundig den Wohlfahrtsstaat durchaus einmal neu definieren und soziale Sicherheit anders buchstabieren. Tatsache ist, dass Marin schon mit dieser Frage recht hat, die auch öffentlich ist: 24 Stunden pro Woche, „warum sollte das nicht der nächste Schritt sein?“ Ja, warum nicht?

„Samstags gehört Vati mir“

Zumal das, was so modern klingt, Jahrzehnte zuvor im Grundsatz ähnlich gedacht worden ist. Da hatte in Deutschland die Gewerkschaftsbewegung einen Ansatz, der emanzipatorisch war – die Fünf-Tage-Woche.

Kurzer Rückblick: Im Aktionsprogramm von 1955 forderte der DGB die Fünf-Tage-Woche bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich und täglicher achtstündiger Arbeitszeit. Hierfür wurde ein Plakat entworfen, auf dem ein Kind „Samstags gehört Vati mir“ verlangte. Das schlug mächtig ein.

Schritt für Schritt wurde über Jahre die Arbeitszeit verringert, Wegbereiter war die IG Metall. Schon damals ging es nicht allein um mehr Zeit für die Regeneration des Arbeitnehmers, sondern die – tatsächlich – bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Allerdings standen seinerzeit allein um die Männer als Haupterwerbsperson im Vordergrund. Das ist natürlich längst überholt. Frauen fordern machtvoll ihr Recht.

Sanna Marin (l), neue Ministerpräsidentin von Finnland, spricht bei einer Fragestunde im Parlament. Neben ihr sitzen Katri Kulmuni (l-r), Finanzministerin von Finnland, Thomas Blomqvist, Minister für Nordische Zusammenarbeit und Gleichheit in Finnland, Aino-Kaisa Pekonen, Ministerin für Soziales und Gesundheit in Finnland, Maria Ohisalo, Innenministerin von Finnland, Li Andersson, Bildungsministerin von Finnland, Pekka Haavisto, Außenminister von Finnland, und Anna-Maja Henriksson, Justizministerin von Finnland.
Sanna Marin (l), neue Ministerpräsidentin von Finnland, spricht bei einer Fragestunde im Parlament. Neben ihr sitzen Katri Kulmuni (l-r), Finanzministerin von Finnland, Thomas Blomqvist, Minister für Nordische Zusammenarbeit und Gleichheit in Finnland, Aino-Kaisa Pekonen, Ministerin für Soziales und Gesundheit in Finnland, Maria Ohisalo, Innenministerin von Finnland, Li Andersson, Bildungsministerin von Finnland, Pekka Haavisto, Außenminister von Finnland, und Anna-Maja Henriksson, Justizministerin von Finnland.

© Vesa Moilanen/Lehtikuva/dpa

Umso interessanter ist heute die Neufassung des alten Grundgedankens. Und auch wenn es dauert, eine Veränderung durchzusetzen, die Herausforderung ist doch da: Weniger Arbeitszeit muss anders aufgeteilt werden.

Ein Kabinett, so progressiv wie kein anderes

Im Zeitalter der Digitalisierung wird das zur neuen Verteilungsfrage. Dazu passt, dass Marin ein bedingungsloses Grundeinkommen kritisch sieht: Ein Teil arbeitet gar nicht, ein anderer 70 Stunden? Da muss ein Ausgleich her.

In jedem Fall hat der Gedanke die Diskussion weit über Finnland hinaus geöffnet. Und wenn der Gedanke den Grund für die Tat legt, so bereiten Worte ihr den Weg.

Das kann gelingen. Zumal Regierungschefin Marin mit einem Kabinett regiert, das so progressiv wie kein anderes in der Welt ist: Zwölf der 18 Ministerien werden von Frauen geführt, so wie die fünf Parteien in der Koalition. Die werden nicht locker lassen. Deutschlands sieht da plötzlich alt aus.

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