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Ein Demonstrant und ein Bereitschaftspolizist stehen sich bei einem Protest gegenüber.

© Daniel Garzon Herazo/dpa

Viele Tote und Verletzte bei Protesten: Aufstand der Jungen in Kolumbien

In Kolumbien kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Demonstranten fordern den Rücktritt des Präsidenten Ivan Duque. Auslöser ist eine Steuerreform.

Wie viele Menschen in Kolumbien seit Ausbruch der Proteste gestorben sind, weiß im Moment noch niemand. Mal ist im Land von sechs, mal von 21 Toten die Rede. Fakt ist: Seit ein paar Tagen wächst der Ärger in Cali, der selbst ernannten „Welthauptstadt des Salsa“, über.

Den meisten Deutschen ist die Millionenmetropole durch die Netflix-Serie Narcos bekannt, dieser Novela über den Aufstieg und Fall des Cali-Kartells und der Familie Rodriguez. Mal sind es die wohlhabenden Bürger aus dem reichen Ortsteil „Ciudad Jardin“, die zur Selbsthilfe greifen, um sich gegen Straßenblockaden zu wehren, dann die wütenden Studenten, die sich nach dem Tod zahlreicher Kommilitonen die Trauer und die Wut aus der Seele schreien.

Dazwischen ist eine Polizei, die jedes Augenmaß verliert und bisweilen brutal und tödlich zuschlägt. Es ist eine emotionale Gemengelage, die kaum in den Griff zu bekommen scheint. Hunderte Menschen wurden verletzt.

Demonstranten stoßen während eines nationalen Streiks gegen die Steuerreform mit der Polizei zusammen.
Demonstranten stoßen während eines nationalen Streiks gegen die Steuerreform mit der Polizei zusammen.

© Andres Gonzalez/AP/dpa

Steuerreform wieder zurückgenommen

Die Proteste entzündeten sich an einer inzwischen vom in die Kritik geratenen konservativen Präsidenten Ivan Duque zurückgenommenen Steuerreform, die nach Meinung der Demonstranten inmitten der schweren Wirtschaftskrise durch die Corona-Pandemie vor allem die mittleren und geringen Einkommen belastet hätte. Doch nun geht es auch um Duque selbst, denn die jungen Kolumbianer werfen ihm vor, für die Gewalt gegen die Demonstranten verantwortlich zu sein.

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Duque selbst spricht von „Vandalismus und urbanem Terrorismus“, den es zu bekämpfen gelte. Richtig ist, dass sich unter die ganz überwiegend friedlichen Demonstranten auch vereinzelte linksradikale Gruppen mischen, die auf eigene Rechnung agieren und die verhassten Sicherheitskräfte attackieren. So gingen Polizeistationen in Brand, wurden einzelne Polizisten verprügelt.

Skandalöse Vorgänge bei Sicherheitskräften

Umgekehrt gibt es wegen skandalöser Vorgänge in Reihen der Sicherheitskräfte, inzwischen ein großes Misstrauen in der Bevölkerung. Gespeist wird es nun durch weitere Todesfälle wie die des jungen Künstlers Nicolas Guerrero, getötet bei einer Aktion der gefürchteten Anti-Aufruhr-Einheit Esmad, die in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Tötungen bei Demonstrationen in die Kritik geraten ist.

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Inzwischen ist das Verhältnis zwischen der jungen Generation und dem jungen Präsidenten Ivan Duque, der 2018 im Alter von 41 Jahren ohne Regierungsvorerfahrung als Schützling des Ex-Präsidenten Alvaro Uribe sein Amt antrat, zerstört. Ausgerechnet einer der jüngsten Regierungschefs der Geschichte des südamerikanischen Landes hat seinen Draht zur Influencer-Szene, zur jungen Generation, verloren. Wie es weitergeht, ist ungewiss: In Cali fordern die Demonstranten den Rücktritt des Präsidenten. Die Politik geht nun auf die Protestierenden zu, bietet ihnen einen Dialog und einen runden Tisch an.

Doch den gab es bereits nach der ersten Protestwelle 2019, dann kam Corona und es wurde kaum etwas umgesetzt. Dass Duque die Steuerreform zurückgezogen hat, werten die Menschen als ein einen ersten Erfolg des Volkes. Weitere Forderungen werden folgen.

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