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Boris Johnson (links) und Ungarns Regierungschef Viktor Orban vor dem Amtssitz des britischen Premierministers.

© Toby Melville/REUTERS

Viele Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzen: Die fragile Zweckgemeinschaft von Johnson und Orban

Der britische Premier Boris Johnson hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban in London getroffen. In Brüssel nährt das einen Verdacht.

Boris Johnson hat nicht viele Fürsprecher unter den Staats- und Regierungschefs der EU. Zu den Fans des britischen Premierministers gehört allerdings Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Von daher lag es nahe, dass es ausgerechnet Orban war, der 16 Monate nach dem Brexit eine Einladung in die Downing Street erhielt. Das Treffen Johnsons und Orbans am Freitag in London stieß aber nicht nur in der EU auf Bedenken, sondern auch in Großbritannien.

In der EU gilt Orban als Quertreiber, weil er den Rechtsstaat in seinem Land aushöhlt, den russischen Präsidenten Wladimir Putin hofiert und eine gemeinsame außenpolitische Linie gegenüber China torpediert. Zuletzt blockierte Ungarn eine Erklärung der EU zur Eskalation im Nahost-Konflikt.

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In Brüssel nährte das Treffen Johnsons und Orbans den Verdacht, dass es Johnson weiterhin auf eine Schwächung der EU anlegt. Der britische Premier liegt mit der Gemeinschaft der 27 EU-Staaten wegen der Umsetzung des Nordirland-Protokolls im Clinch, das nach dem Brexit eigentlich Zollkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland vorsieht. Johnson weigert sich allerdings, das Protokoll vollständig umzusetzen.

In der Londoner Regierungszentrale wurde die Einladung Orbans derweil damit begründet, dass die Zusammenarbeit mit Ungarn „entscheidend für den Wohlstand und die Sicherheit des Vereinigten Königreichs“ sei. Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng betonte, dass es „völlig vernünftig“ sei, ein Treffen zwischen Johnson und Orban zu arrangieren.

Ein Regierungschef wie Johnson müsse „mit allen möglichen Führungspersönlichkeiten auf der Welt sprechen, auch wenn wir deren Werte nicht unbedingt teilen“, sagte Kwarteng weiter. „In dieser Post-Brexit-Welt ist es völlig in Ordnung, dass wir bilaterale Beziehungen mit einzelnen Ländern aufbauen.“

Zudem wurde an Johnsons Amtssitz die Bedeutung des Besuchs damit begründet, dass Ungarn demnächst den Vorsitz der Gruppe der so genannten Visegrad-Staaten übernimmt. Der Visegrad-Gruppe gehören außerdem noch Tschechien, die Slowakei und Polen an.

Keine Pressekonferenz zum Abschluss

Ganz wohl war dem britischen Regierungschef angesichts des Treffens allerdings offenbar doch nicht. Denn anschließend gab es keine gemeinsame Pressekonferenz. Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass Orbans anti-muslimische Äußerungen aus der Vergangenheit im Vereinigten Königreich parteiübergreifend auf Ablehnung stoßen. 2018 hatte Orban seine Haltung in der Flüchtlingspolitik damit begründet, dass „muslimische Invasoren“ von Ungarn ferngehalten werden müssten.

Am Donnerstag hieß es dazu aus dem Amt des britischen Premierministers, dass Orbans Äußerungen „spalterisch und falsch“ seien. Zuvor hatte die Labour-Abgeordnete Lisa Nandy zudem gefordert, dass Johnson bei dem Treffen auf antisemitische Äußerungen Orbans zu sprechen kommen müsse.

Hinzu kommt, dass sich Orbans China-freundliche Haltung schlecht mit dem Anspruch Johnsons verträgt, als Gastgeber des bevorstehenden G-7-Gipfels in Cornwall einen gemeinsamen Kurs der westlichen Industriestaaten gegenüber Peking zur formulieren. US-Außenminister Antony Blinken hatte jüngst gefordert, dass Washington und London ihre Kräfte in der China-Politik bündeln müssten.

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