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Heinz-Christian Strache (r), Vizekanzler von Österreich und FPÖ-Chef, neben Bundeskanzler Sebastian Kurz

© dpa/AP/Hans Klaus Techt

Update

Video belastet Vizekanzler Strache: Kurz schließt offenbar weitere Zusammenarbeit aus

Wie reagiert Österreichs Kanzler auf das Strache-Video? Berichten zufolge steht sein Vize vor dem Aus. Auch die Staatsanwaltschaft prüft Konsequenzen.

Ein heimlich gefilmtes Video, in dem Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache offenbar Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellt, setzt die Regierung in Wien schwer unter Druck. Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP kündigte für Samstag eine Stellungnahme an.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtete am Samstagmorgen, Kurz schließe nach ihren Informationen eine weitere Zusammenarbeit mit Strache aus. Ein Rücktritt oder eine Entlassung des Vizekanzlers sei damit die logische Folge. Auch die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf eine mit den Vorgängen in der Regierung vertraute Person, dass Kurz nicht länger mit Strache zusammenarbeiten wolle.

Thomas Mayer, Redakteur bei der österreichischen Zeitung "Der Standard", schrieb auf Twitter, Kurz werde nach seinen Informationen zu Bundespräsident Alexander van der Bellen gehen und ihm die Abberufung von Strache vorschlagen.

Der österreichischen Nachrichtenagentur APA meldete, Strache werde am heutigen Samstag um 11 Uhr im Bundeskanzleramt erwartet. Danach wollten sich Strache und Kurz an die Öffentlichkeit wenden.

Die oppositionelle SPÖ sprach am Freitag vom "größten Skandal" in der jüngeren Geschichte des Landes. Die liberale Partei Neos bezeichnete Neuwahlen nun als "unvermeidlich". Mit ihren Rücktrittsforderungen an Vizekanzler Strache, der zugleich an der Spitze der rechtspopulistischen FPÖ steht, reagierte die österreichische Opposition auf Berichte von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“. Sie legten unter Berufung auf ihnen zugespielten Videoaufnahmen dar, dass Strache sich vor der österreichischen Parlamentswahl 2017 bereit gezeigt habe, als Gegenleistung für Unterstützung im Wahlkampf öffentliche Aufträge zu vergeben.

Sechsstündiges Treffen war offenbar eine Falle

Die ohne Straches Wissen angefertigten Aufnahmen dokumentieren demnach ein Treffen des FPÖ-Chefs und seines Vertrauten Johann Gudenus, dem heutigen FPÖ-Fraktionsvorsitzenden, mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen. Das Treffen habe im Juli 2017 auf Ibiza stattgefunden. Die Frau habe angegeben, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete laut "Spiegel" und "SZ" mehrmals an, dass es sich dabei um Schwarzgeld handeln könnte.

Trotzdem seien Strache und Gudenus, der als Übersetzer fungierte, gut sechs Stunden lang bei dem Treffen sitzen geblieben und hätten über Anlagemöglichkeiten in Österreich diskutiert. Das Treffen war laut "SZ" und "Spiegel" offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden.

Die angebliche russische Oligarchin bot unter anderem an, bei der österreichischen „Kronen Zeitung“ als Investorin einzusteigen und Strache danach zu unterstützen. Die Zeitung könne - so Strache - im Fall einer solchen Übernahme kurz vor der Wahl zugunsten der FPÖ Partei ergreifen. Strache meinte, dass die FPÖ dann nicht mit 27, sondern 34 Prozent rechnen könne. Als Dank stellte er der Frau Aufträge beim Straßenbau in Aussicht, sollte die FPÖ an die Regierung kommen. "Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann." Weiter habe Strache gesagt: "Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!" Gemeint ist der langjährige Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner.

"Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof"

Außerdem offenbarten Strache und Gudenus bei dem Treffen laut "SZ" und "Spiegel" ein womöglich illegales System der Parteifinanzierung. "Es gibt ein paar sehr Vermögende. Die zahlen zwischen 500.000 und anderthalb bis zwei Millionen", sagte Strache laut den Videoaufnahmen. Das Geld fließe aber nicht an die FPÖ, sondern an einen gemeinnützigen Verein. "Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof." Strache und Gudenus nennen in dem Video demnach mehrere Namen angeblicher Großspender. Diese dementierten auf Anfrage von "SZ" und "Spiegel", direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben.

Unter dem Eindruck der Regierungskrise sagte der FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky seine Teilnahme an einer Großveranstaltung rechtspopulistischer Parteien mit Italiens Innenminister Matteo Salvini am Samstag in Mailand ab. Die FPÖ werde nun vom Europaabgeordneten Georg Mayer vertreten, sagte ein FPÖ-Sprecher der österreichischen Nachrichtenagentur APA.

Das Video wird unterdessen laut der Zeitung „Kurier“ bereits von der Staatsanwaltschaft auf juristische Konsequenzen hin geprüft. Es stelle sich die Frage, ob es sich nur um Gerede gehandelt habe oder es konkrete Hinweise auf ein strafbares Verhalten gebe, zitiert das Blatt einen Sprecher des Justizministeriums. Die Justiz werde bei den beiden Medien um das gesamte, ungeschnittene Videomaterial bitten und dann die erforderlichen Schritte setzen, sagte der Sprecher weiter. Ob Ermittlungen eingeleitet würden, sei deshalb noch offen. Die Prüfung des Videos sei der erste Schritt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ betonte allerdings schon, dass sie die Originalaufnahmen nicht zur Verfügung stellen werde. Die Aufnahmen seien der „SZ“ und etwas später dem „Spiegel“ zugespielt worden. Aus Gründen des Quellenschutzes mache man keine Angaben über die Herkunft. Leila Al-Serori von der „Süddeutschen Zeitung„ erklärte im ORF-Fernsehen, dass man das Video bereits vor Monaten angeboten bekommen habe. Das Material sei dann vor einigen Wochen in einem verlassenen Hotel auf USB-Sticks übergeben worden. Auch dem deutschen Satiriker Jan Böhmermann seien die Aufnahmen angeboten worden. Dieser habe den Fall jedoch nicht weiter recherchiert.

Der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier sieht Kanzler Kurz nun am Scheideweg: „Entweder er zieht jetzt die Reißleine oder er kettet sich endgültig an die FPÖ.“ Eine Rolle bei der Entscheidung könnte spielen, dass Kurz sein ohnehin im Ausland inzwischen etwas ramponiertes Image nicht weiter schädigen wolle, sagte Filzmaier der dpa. „Das ist ihm, der als Europapolitiker gelten will, sehr wichtig.“ (mes, AFP, dpa)

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