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Recep Tayyip Erdogan (Foto von 2021).

© REUTERS/Yves Herman/Pool/File Photo

Veto-Drohung gegen Nato-Erweiterung: Erdogans Ego-Trip zielt aufs türkische Publikum

Ankara wolle die Norderweiterung nicht verhindern, heißt es jetzt. Sich mit dem Westen anlegen kommt aber bei vielen Menschen in der Türkei gut an. Ein Kommenar.

Mit seinem Widerstand gegen einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden hat der türkische Präsident Erdogan die Verteidigungsallianz aufgeschreckt. Die beiden skandinavischen Länder böten anti-türkischen Organisationen wie der kurdischen PKK Unterschlupf, beschwerte Erdogan sich. Die Türkei könnte mit einem Veto die Aufnahme neuer Mitglieder in die Nato verhindern, doch Erdogans Widerstand hielt nur 24 Stunden.

Ein Präsidentenberater stellte klar, dass Ankara die Tür für Helsinki und Stockholm nicht zugeschlagen habe. Dieses Dementi erfolgte nicht zufällig gegenüber ausländischen Medien. In der Türkei will Erdogan mit seiner Kritik an den Skandinaviern als Verteidiger des Vaterlandes punkten.

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Die Nato-Bewerbungen von Finnland und Schweden bieten Erdogan auf den ersten Blick die ideale Chance, sich vor den türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr als starker Mann in Szene zu setzen. Er kann damit innenpolitisch auf die Pauke hauen, ohne außenpolitisch viel zu riskieren.

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Finnland und Schweden könnten die PKK-Aktivitäten eindämmen

Die Vermittlerrolle der Türkei im Ukraine-Krieg hat den Westen beeindruckt; niemand in Europa oder den USA wird die Nato-Mitgliedschaft der Türkei wegen Erdogans Sprüchen in Frage stellen. Finnland und Schweden werden die PKK-Aktivitäten in ihren Ländern möglicherweise etwas eindämmen, um Erdogan zu besänftigen. Vielleicht bekommt er sogar endlich seinen lang ersehnten Termin bei US-Präsident Joe Biden, der den türkischen Staatschef bisher auf Distanz hält. Auch das könnte Erdogan dann innenpolitisch als Triumph verkaufen.

Erdogan wartet noch auf die Einladung ins Weiße Haus.
Erdogan wartet noch auf die Einladung ins Weiße Haus.

© Brendan SMIALOWSKI / AFP

Solche Erfolge könnte und kann er derzeit gut gebrauchen. Viele Türken machen seine Regierung für die wirtschaftlichen Probleme mit einer Inflation von 70 Prozent und einem starken Wertverlust der Lira verantwortlich. Die Opposition punktet außerdem mit der Forderung, die 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei in ihre Heimat zurückzuschicken. Erdogan braucht ein Thema, das ihm aus der Defensive hilft. Krach mit dem Westen kommt bei türkischen Nationalisten gut an.

Langfristig tut Erdogan seinem Land aber keinen Gefallen. Zwar haben sich die westlichen Partner der Türkei seit langem an seine verbale Eskapaden gewöhnt – wie etwa im Jahr 2009, als sich Erdogan gegen die Wahl des damaligen dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen zum Nato-Generalsekretär stemmte, bevor er nach viel Getöse dann doch zustimmte. Dass Erdogan aber mitten im Ukraine- Krieg grundlos die Einigkeit und Einheit des Westens beschädigt, hinterlässt einen faden Nachgeschmack, selbst wenn nichts Konkretes daraus folgt. Wladimir Putin wird es aufmerksam registriert haben.

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