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FDP-Politiker Marcus Faber war bis zu seinem Rücktritt Mitte Mai verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

© Heiko Rebsch/dpa

Verteidigungsexperte Faber im Interview: „Wenn andere Nato-Partner Panzer liefern, können wir das auch“

Das Sondervermögen ist geschafft. Doch in der FDP wächst der Druck auf den Kanzler, auch Tacheles zu reden, wie der Ukraine noch stärker geholfen werden kann.

Marcus Faber war bis Mitte Mai verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Weil er aus Protest über unzureichende Antworten von Kanzler Olaf Scholz die Sondersitzung des Verteidigungsausschusses vorzeitig mit weiteren FDP-Kollegen verließ, trat Faber von diesem Amt zurück.

Herr Faber, Sie mussten als Verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion zurücktreten, weil sie mit den Aussagen des Kanzlers unzufrieden waren und die Sitzung verlassen haben…
Es ist es eine souveräne Entscheidung der Fraktion, wer für sie spricht. Und ich habe meinen Rücktritt angeboten, der wurde angenommen. An meiner inhaltlichen Position hat sich nichts geändert. Ich leite auch weiterhin die AG Verteidigung der FDP-Fraktion.

Nun gibt es eine Einigung beim Bundeswehr-Sondervermögen, aber die 100 Milliarden werden verrechnet mit dem Verteidigungshaushalt, um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen.
Wenn man sich die Rede vom Kanzler am 27. Februar noch mal anhört, dann ist es sehr deutlich, dass es 100 Milliarden sind und dass wir damit dauerhaft 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts an Verteidigungsausgaben erreichen. Also dass die 100 Milliarden genutzt werden, um das Ziel zu erreichen. Rein mathematisch reichen die 100 Milliarden für fünf Jahre, danach müssen die zwei Prozent komplett über den Bundeshaushalt geschafft werden.

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Sie pochen darauf, dass der Ukraine mehr als bisher geholfen wird, gerade auch weil die Lage im Donbass dramatisch ist und Russland Geländegewinne zu verzeichnen hat, was erwarten Sie vom Kanzler in seiner Bundestagsrede am Mittwoch?
Wir sind jetzt über drei Monate nach Kriegsbeginn. Die Zeitenwende muss man, wenn man sie ankündigt, auch machen. Und da ist das Sondervermögen ein wichtiger Schritt. Aber die Ukraine wäre heute in einer noch schlimmeren Situation, wenn alle so gehandelt hätten wie Deutschland. Zum Glück haben viele Staaten vor Kriegsbeginn die Ukraine schon ausgerüstet und ausgebildet und auch deswegen konnte zum Beispiel Kiew verteidigt werden.

Auch jetzt gilt weiterhin, dass die Ukraine mehr militärisches Material braucht. Personal haben sie, das Personal wird auf der russischen Seite knapp. Das Material ist das Problem. Die Ukraine braucht mehr Artillerie. Man braucht gepanzerte Fahrzeuge und davon auch recht viel. Man braucht vor allem auch Munition.

Wie müsste man konkret auf die russische Kriegsführung im Donbass reagieren, die ja nun sehr massiv auf Artillerie und gnadenlose Zerstörung setzt?
Das ist von russischer Seite ein völliger Zerstörungskrieg. Da werden einfach flächenmäßig ganze Städte ausradiert. Dementsprechend brauchen die Ukrainer Abstandswaffen und die haben sie nicht in ausreichender Zahl, nicht in ausreichender Reichweite. Stichwort Raketen-Artillerie. Und dazu braucht es eben auch gepanzerte Fahrzeuge, um Flächenbombardements zu überstehen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, besucht den Verteidigungsausschuss unter Leitung von Marie Agnes Strack-Zimmermann, FDP.
Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, besucht den Verteidigungsausschuss unter Leitung von Marie Agnes Strack-Zimmermann, FDP.

© Imago/photothek

Also Marder-Schützenpanzer zum Beispiel, deren Lieferung bisher vom Kanzleramt nicht genehmigt worden ist.
Ja, zum Beispiel. Deutschland könnte einiges tun, im Zusammenspiel mit der Industrie. Wir haben den Puma, der eingeführt wird, den Boxer, der eingeführt wird und dann entsprechend Marder und Fuchs, Fahrzeuge, die ohnehin in den nächsten Jahren ersetzt werden und wo man jetzt sicherlich gewisse Stückzahlen der Ukraine zur Verfügung stellen könnte.

Haben Sie den Kanzler im Verteidigungsausschuss auch so verstanden, dass wegen Nato-Absprachen zum Beispiel keine Kampfpanzer wie der Leopard geliefert werden sollen?  
Das hat er so nicht gesagt. Er hat gesagt, dass man in der Ukraine keine Abrams (Kampfpanzer der US-Armee) und keine Leclerc (Französische Kampfpanzer) sieht und dass wir das, was andere Länder machen, auch machen. Und da weise ich gerne darauf hin, dass andere Länder wie Polen oder Tschechien Kampfpanzer an die Ukraine liefern. Und wenn unsere Nachbarländer wie Polen und Tschechien das können, warum wir nicht?

Sie meinen die T72 sowjetischer Bauart. Da wird argumentiert, dass die westlichen Kampfpanzer aber eine größere Zerstörungskraft haben und womöglich von Wladimir Putin als Kriegseintritt gewertet werden könnten.
Ich war letztens zum Beispiel in Flensburg. Da stehen 100 Leopard-1-Panzer, also dass das jetzt überlegene westliche Kampfpanzer mit größerer Zerstörungskraft sind – wenn Sie sich die anschauen, denken Sie darüber nochmal anders nach. Das sind Kampfpanzer. Ja, und die funktionieren auch noch. Ja, und die würden dort auch ihren Job tun und brauchen auch eine gewisse Ausbildungszeit.

Aber die Ukrainer zeigen, dass sie sehr befähigt sind, auch so etwas zu lernen. Und gerade wenn man langsam ist, dann muss man früh losgehen. Exportanträge, die am 1. März gestellt wurden, könnten schneller entschieden werden, dann könnte auch heute, Ende Mai, Personal schon längst ausgebildet sein. Wenn andere Bündnispartner gepanzerte Fahrzeuge und Panzer liefern, können wir das auch.

Wenn Sie sich was von Olaf Scholz wünschen könnten, was wäre am dringlichsten?
Also ich würde mir wünschen, dass er die Zeitenwende, die er angekündigt hat, auch mit voller Kraft umsetzt. Taten sagen mehr als Worte. Das ist eine Situation, wo Menschen in den Kellern ihrer Häuser sitzen, während ihre Wohnblöcke systematisch bombardiert werden. Da können wir nicht wochenlang drüber reden oder nicht reden, sondern die Zeitenwende muss umgesetzt werden. Und zwar jetzt.

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