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Mitarbeiter der Coronavirus-Isolationsstation des Krankenhauses von Mbagathi sind in Schutzanzüge gekleidet.

© Dennis Sigwe/dpa

Verkehrte Welt: Das Virus auf dem afrikanischen Kontinent

Afrika gilt als Globalisierungsverlierer. In Zeiten der Coronakrise könnte das plötzlich nützlich sein.

Es schien sich um einen klaren Fall zu handeln. Bis das Coronavirus auch nach Afrika käme, könne angesichts der engen Beziehungen des Kontinents zu China nur eine Frage der Zeit sein, orakelten Experten. Und erst einmal hier angekommen sei dann ohnehin alles zu spät. Die WHO sorgt sich um den Kontinent, deren Gesundheitssystem einer Pandemie kaum standhalten könnte. Großphilanthrop Bill Gates sah bereits ein apokalyptisches Szenario von zehn Millionen toten Afrikanerinnen und Afrikanern voraus.

Wochen nach den Unkenrufen sehen die Tatsachen allerdings anders aus. Während Europa von dem Erreger überwältigt wird, werden inzwischen zwar auch aus 18 afrikanischen Staaten insgesamt etwa 140 Infizierte, darunter auch zwei Tote, gemeldet: Doch die Apokalypse blieb zumindest bislang aus.

Mit ihrer Eindämmungsstrategie scheinen Afrikas Regierungen durchaus erfolgreich zu sein: Beim Großteil der Fälle handelt es sich um Reisende aus Europa, die sich in Italien, Frankreich oder auch Deutschland angesteckt haben. In Südafrika bereitet sich bereits eine ungemütliche Stimmung gegenüber Weißen aus, wie sie bislang eher Afrikaner in Europa zu spüren bekamen – ihnen wird stets unterstellt potentieller Träger der gefährlicher Viren zu sein. „Südafrika importiert Coronafälle aus Europa“, titelt selbst der seriöse „Business Day“.

Fachleute suchen nach Gründen für die verkehrte Welt. Womöglich sei der derzeitige Sommer in der südlichen Erdhalbkugel für die schlechten Chancen des Virus verantwortlich zu machen, heißt es. Wer sich die Verlaufsform früherer Pandemien anschaut, stellt fest, dass Afrika auch damals schon glimpflich davon kam. Von der vor 18 Jahren tobenden SARS-Seuche wurde als einziger Staat des Kontinents Südafrika heimgesucht, Todesopfer gab es keine.

Und sieben Jahre später griff die mexikanische Schweinegrippe zwar auch auf die meisten afrikanischen Staaten über. Doch statt Millionen von Menschen steckten sich nur 8000 Afrikaner an, von denen nur 160 dem Virus erlagen – kaum ein Prozent der weltweiten Opfer.

Ob auch afrikanischer Sommer und genetische Veranlagung eine Rolle spielen: In jedem Fall ist für das glimpfliche Abschneiden des Kontinents vor allem dessen noch immer schwache Integration in die weltweiten Verkehrsströme verantwortlich zu machen. Obwohl in Afrika ein gutes Sechstel der Weltbevölkerung lebt, wird der Kontinent nur von jedem zwanzigsten interkontinentalen Reisenden angeflogen.

Ein wirtschaftlicher Kollateralschaden droht trotzdem

Das heißt jedoch nicht, dass der Erdteil von den wirtschaftlichen Kollateralschäden der Pandemie verschont bleiben würde. Schon jetzt sehen Wirtschaftsanalysten die drei größten Ökonomien südlich der Sahara – Südafrika, Nigeria und Angola – in tiefe Rezessionen schlittern. Südafrika droht bis zu sieben Prozent seines Bruttoinlandprodukts zu verlieren – ganz egal, wie viele Landeskinder von dem Virus angesteckt werden.

Allein der Tourismus sorgt am Kap der Guten Hoffnung für 1,5 Millionen Jobs und Einnahmen von mehr als 30 Milliarden Euro: Doch statt, wie noch vor Wochen prognostiziert, um vier Prozent zu steigen, wird der Sektor nach Schätzung der Welttourismusorganisation (UNWTO) um bis zu drei Prozent schrumpfen.

Noch düsterer sieht es im wirtschaftlichen Herzen Südafrikas, dem Rohstoffhandel und der Autoproduktion, aus. Dort ist das Schwellenland vor allem auf europäische und chinesische Märkte angewiesen: Und die könnten nach Schätzungen von Experten infolge der Coronapandemie um bis zu fünf Prozent einbrechen. Schon ohne das Virus konnte das Land in diesem Jahr lediglich mit Wachstumsraten um den Gefrierpunkt rechnen.

Selbst wenn Südafrika und sein Kontinent die Ausbreitung des Erregers tatsächlich verhindern können: Opfer der ausländischen Seuche sind sie in jedem Fall.

Johannes Dieterich

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