zum Hauptinhalt
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer

© dpa/Britta Pedersen

Verkehrsminister: Die Teilentmachtung des Andreas Scheuer

Der Koalitionsausschuss hegt den Verkehrsminister mit zwei neuen Kommissionen ein. Auch die Umweltministerin verliert an Eigenständigkeit.

Von Robert Birnbaum

Andi Scheuer ist an sich ein Mensch von unverwüstlich guter Laune. Doch seit Donnerstagabend hat der CSU-Mann dafür zwei Gründe weniger. Die Spitzen der Koalition hatten sich mit der Verkehrs- und der Klimapolitik beschäftigt. Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD kamen zu dem Schluss, dass es auf beiden Feldern nicht so weitergehen kann wie bisher.

Abhilfe schaffen sollen zwei Arbeitskreise: Eine „Konzertierte Aktion Mobilität“ und ein „Klimakabinett“. Beides wirkt auf den ersten Blick wie politische Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Doch der zweite Blick macht klar: Der Verkehrsminister wird in ein doppeltes Korsett gezwungen.

Scheuer ist nicht der einzige, dem die Koalitionsspitzen sachte das Heft aus der Hand nehmen. Auch Umweltministerin Svenja Schulze verliert den zentralen Zugriff auf die Klimapolitik. Der Verkehrsminister wird freilich gleich doppelt eingehegt. Der Beitrag des Verkehrsbereichs zum Klimaschutzziel 2030 ist ebenso wie die Zukunft der Automobilität nicht mehr Ressort-, sondern Chefsache.

Beim „Klimakabinett“ wird direkt das augenfällig: Die neue Runde leitet die Kanzlerin. Unter Angela Merkels Vorsitz sollen die für Klimafragen im engeren Sinne zuständigen Ministerien bis Jahresende konkret erarbeiten, wie Deutschland seine Klima-Selbstverpflichtung für das Jahr 2030 einhalten kann. Umwelt, Verkehr, Wirtschaft, Bau, Landwirtschaft und – wegen Allzuständigkeit – das Finanzministerium gehören fest zum Kreis, andere stoßen bei Bedarf dazu. 2019, freut sich Andrea Nahles, werde von der Koalition zum „Klimajahr“ gemacht. „Insgesamt war die Stimmung: anpacken, voranbringen, gemeinsam handeln.“

Dass damit das Klimarahmengesetz ihrer Parteifreundin Schulz vom Tisch sei, bestreitet die SPD-Chefin. Die Umweltministerin selbst twittert: „Ich habe immer gesagt: Klimaschutz ist Sache der gesamten Regierung.“ Doch politisch bedeutet die neue Struktur, dass nicht mehr nur Schulz zentral den Klima-Takt vorgibt.

Die Koalitionsspitzen wollen Zwischenbilanzen sehen

Umgekehrt nimmt das neue Kollektiv allerdings den anderen Ministern auch Möglichkeiten, sich einen schlanken Fuß zu machen. Genau das drohte vorher mit Schulzes Plan für ein Klimarahmengesetz zu geschehen: Unionsgeführte Häuser – die Truppen des Ex-CSU-Generalsekretärs Scheuer immer dabei – hatten der SPD-Ministerin vorgeworfen, ihr Vorgehen lade die Verantwortung für unpopuläre Maßnahmen allein bei CDU- und CSU-geführten Ministerien ab. Parteipolitisches Gezänk anzuzetteln statt Klimapolitik zu machen wird zumindest deutlich schwerer, wenn die Verantwortung für den Erfolg auf allen Schultern liegt.

Die „Konzertierte Aktion Mobilität“, eine Idee von Nahles, folgt einem ähnlichen Grundgedanken. Die Koalition, heißt es im gemeinsamen Beschluss, werde „regelmäßig zu Spitzengesprächen mit den Akteuren in der Automobilindustrie zusammenkommen, um zügig die politischen Handlungsnotwendigkeiten zu identifizieren und in einer nachhaltigen Strategie umzusetzen.“ Herausfinden was nötig ist, war bisher eigentlich Aufgabe der Nationalen Plattform „Zukunft der Mobilität“ beim Verkehrsminister.

Das soll die Konzertierte Aktion auch weiter unterstützen. Aber in der Koalition wird kein Zweifel daran gelassen, dass die Partei- und Fraktionschefs das Thema Auto und Mobilität selbst in die Hand nehmen wollen. Statt zu warten, was irgendwann die Expertenplattform vorschlägt, wollen die Koalitionsspitzen in regelmäßigen Abständen Zwischenbilanzen sehen und Vorentscheidungen treffen.

Ob Scheuers rüder Umgang mit den eigenen Fachleuten zu seiner Teilentmachtung beigetragen hat, will niemand sagen. Als der Arbeitskreis für Klimaschutz der Verkehrsplattform ein Tempolimit auf Autobahnen auch nur ins Spiel brachte, tobte der Minister gleich los, das sei „gegen jeden Menschenverstand“. Doch das Signal ist auch so klar. Scheuer darf noch mitreden; über die Zukunft der Mobilität – und damit auch über die der wichtigsten deutschen Industriebranche – entscheiden andere.

Zur Startseite