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Kay Nehm löste mit seinem Vorschlag scharfe Kritik aus.

© dpa

Verkehrsgerichtstag in Goslar: Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm will mit Mautdaten fahnden

Verkehrsgerichtstags-Präsident Kay Nehm will mit Verkehrsdaten Verbrecher jagen. Doch der Wunsch des ehemaligen Generalbundesanwalts stößt auf heftige Gegenwehr.

Der Widerspruch folgte sofort. Mautdaten sollen auch der Kriminalitätsbekämpfung dienen, forderte der Präsident des Verkehrsgerichtstages (VGT), Kay Nehm, am Donnerstag in Goslar. "Nicht mit mir", wies Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) das Ansinnen des ehemaligen Generalbundesanwalts vehement zurück. "Wir haben damals eine klare gesetzliche Vereinbarung mit Blick auf die deutschen Autofahrer getroffen, dass die Daten nur für Mautzwecke genutzt werden. Das erst hat für eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz gesorgt. Das können wir jetzt nicht einfach mal so aushebeln", sagte Pistorius dem Tagesspiegel. Ein Schwenk würde jegliches Vertrauen zerstören. Auch mögliche neue Sicherheitsgefahren änderten daran nichts. "Wer glaubt, dass ein islamistischer Terrorist mit einem eigenen Kennzeichen durch die Gegend fährt, glaubt natürlich auch an die Wirksamkeit solcher Maßnahmen."

Der Autobahnschütze hätte so schneller gefasst werden können, sagt Kay Nehm

Strafjurist Nehm war da anderer Ansicht. So hätte der kürzlich vom Landgericht Würzburg zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilte Autobahnschütze viel eher geschnappt werden können, sagte der der Ex-Ermittler. Mehr als 100 Mal hatte der Täter zwischen 2008 und 2013 auf fahrende Lkw geschossen. "Statt dem lebensgefährdenden Spuk durch Auswertung der Mautdaten ein rasches Ende zu bereiten, mussten sich Scharen von Polizeibeamten mit Methoden der Steinzeit um Aufklärung bemühen", beklagte der VGT-Chef. So habe das Bundeskriminalamt die Kennzeichen der vorbeifahrenden Autos einzeln erfassen und mit den Tatzeiten abgleichen müssen. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht hebe "die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens hervor", betonte Nehm.

Aber meint er tatsächlich nur schwere Delikte oder vielleicht auch die Ahndung von Tempoverstößen? "Der Datenschutz", gab sich der VGT-Präsident in dieser Frage zweideutig, "darf nicht zur primären Rechtsquelle des Verkehrsrecht werden."

Auch der ADAC lehnt den Plan kategorisch ab

So oder so – Nehm erhielt kräftigen Gegenwind. "Das lehnen wir ab", sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker kategorisch. Andere Zwecke als das Kassieren von Straßengebühren – ob Verbrechensbekämpfung oder Geschwindigkeitskontrollen – seien gesetzlich eindeutig ausgeschlossen.

Nicht nur die Daten, sondern auch das Aufkommen der Maut nahm Nehm zur Eröffnung des Verkehrsgerichtstags ins Visier.

Der Verkehrsgerichtstags-Präsident zweifelt auch an der Wirtschaftlichkeit der Maut

Das Modell von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mit einem Ausgleich für deutsche Halter über eine niedrigere Kfz-Steuer sei nicht nur europarechtlich zweifelhaft, sondern auch eine "Verschwendung ministerieller Arbeits- und Gestaltungskraft". Der prognostizierte Ertrag werde "nicht annähernd ausreichen, die seit Jahren verschleppte Instandhaltung und den Bau neuer Straßen und Brücken zu finanzieren". Da wäre eine streckengebundene Maut für alle Autofahrer ehrlicher und sinnvoller. "Wäre es nicht gerechter", fragte Nehm, "den Vielfahrer stärker zur Kasse zu bitten, als den sonntagsfahrenden Rentner mit einer jährlichen Fahrleistung von 5000 Kilometern?"

Bei der Tagung geht es auch um eine 1,1-Promille-Grenze für Radler

Bis zum heutigen Freitag beraten in Goslar fast 2000 Experten aus Justiz, Polizei, Verwaltung, Wissenschaft und Versicherungen unter anderem über eine neue 1,1-Promille-Grenze für Radfahrer, Tempo 80 auf engen, kurvenreichen Landstraßen und schärfere Sanktionen für das Benutzen von Handys am Steuer. Die Empfehlungen früherer Verkehrsgerichtstage haben immer wieder Eingang in Gesetzgebung und Rechtsprechung gefunden.

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