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Der Diktator Assad will an der Macht bleiben.

© Marko Djurica, Reuters

Verfassungskommission: Der Frieden in Syrien muss warten

Eine Verfassungskommission soll den Weg für Syriens Zukunft ebnen. Jetzt scheint ein neuer Anlauf zu scheitern – am großen Misstrauen der Kriegsparteien.

Am Ende eines blutigen Jahres in Syrien wollten sich Russland, Türkei und Iran noch mit einem diplomatischen Kraftakt auf internationaler Bühne profilieren. Die Außenminister der drei Länder kamen diese Woche in Genf zusammen, um eine Verfassungskommission vorzustellen, die ein neues Grundgesetz für das kriegsgeplagte Land ausarbeiten und den Weg für demokratische Wahlen frei machen soll. Doch der Versuch scheiterte, die Minister kamen über Absichtserklärungen nicht hinaus. Nach fast acht Jahren Krieg musste die Hoffnung auf eine gerechte Nachkriegsordnung erneut vertagt werden.

Seit Anfang des Jahres arbeiten Moskau, Ankara und Teheran im sogenannten Astana-Prozess an der Einrichtung des Verfassungskonvents. Dieses Trio verhandelt parallel zu den Friedensbemühungen der Vereinten Nationen, will die Weltorganisation aber einbinden – nicht zuletzt wegen der absehbaren Kosten für Syriens Wiederaufbau.

Was wird aus Assad?

Die geplante Verfassungskommission soll aus 150 Mitgliedern bestehen, von denen jeweils ein Drittel aus den Reihen der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft kommen sollen. Vor allem die Zusammensetzung der Abordnung aus der Zivilgesellschaft ist jedoch umstritten. Im Oktober forderte Damaskus, die UN sollten ihre Vorschläge für die Besetzung dieser Delegation zurückziehen, weil darin zu viele Regierungskritiker seien.

In Genf sollte nun der Durchbruch gelingen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow und seine Kollegen aus der Türkei und dem Iran, Mevlüt Cavusoglu und Dschawad Sarif, wollten ihre Vorschläge für die Kommission vom scheidenden UN-Syrienbeauftragten Staffan de Mistura absegnen lassen. Und dann gab es wieder einmal optimistisch klingende Verlautbarungen – ohne Einigung. Die Kommission solle im Januar die Arbeit aufnehmen, versicherte der türkische Chefdiplomat Cavusoglu. Allerdings weiß niemand, wie das gehen soll. Mistura sprach von einem Marathonlauf, der noch nicht beendet sei.

An einen Versöhnungsprozess durch die geplante Verfassungskommission ist derzeit ohnehin kaum zu denken. Das Regime und die Opposition misstrauen sich so abgrundtief, dass jede Seite die jeweils andere im Verdacht hat, die Verfassungsarbeit für eigene Interessen kapern zu wollen. Umstritten ist nicht nur die Zusammensetzung des Gremiums, sondern auch dessen Hauptaufgabe. Die Opposition will eine völlig neue Verfassung, in der für Herrscher Baschar al Assad vermutlich kein Platz wäre. Die Regierung in Damaskus will dagegen die bestehende Verfassung reformieren – um Assad an der Macht zu halten.

Schlüsselfigur Putin

Das Astana-Trio ist ebenfalls uneins. Die Türkei unterstützt die syrische Opposition, während Russland und Iran dem Regime beistehen. Mit einem Machtverbleib von Assad könnte sich Ankara notfalls noch anfreunden. Doch die türkische Regierung will auf keinen Fall regionale Autonomierechte in einem Nachkriegssyrien hinnehmen. Genau das ist jedoch die Hauptforderung der syrischen Kurden. Misturas Nachfolger, der norwegische Diplomat Geir Pedersen, wird ab seinem ersten Arbeitstag am 7. Januar gleich mit großen Problemen konfrontiert sein.

Nicht zuletzt wegen Wladimir Putin. Am erklärten Willen des russischen Präsidenten vorbei passiert in Syrien nichts. Und Putin gehört zu jenen, die auf ein verfassungsgebendes Gremium dringen. Der Kremlchef hat nicht etwa sein Herz für Syriens demokratische Opposition entdeckt oder beschlossen, Assad fallen zu lassen. Vielmehr geht es ihm um den Wiederaufbau des zerstörten Landes – und das dafür erforderliche Geld. Geschätzt 400 Milliarden US-Dollar werden benötigt. Diese gigantische Summe soll nach Putins Vorstellungen nicht aus Russlands Staatshaushalt kommen, sondern vom Westen und arabischen Staaten aufgebracht werden.

Doch gerade Europa betont, dass es über finanzielle Unterstützung nur nachdenken will, wenn sich in Syrien politisch Grundlegendes tut. Dazu gehört eine neue Verfassung. Anderenfalls würde Aufbauhilfe allein Assads Macht zementieren.

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