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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (Archivbild).

© dpa

Verfahren eingeleitet: EU-Streit mit Polen und Ungarn eskaliert

Seit Jahren liegen die nationalkonservativen Regierungen in Warschau und Budapest im Dauerclinch mit Brüssel. Jetzt eröffnet die EU Verfahren gegen die beiden Länder.

Polen und Ungarn stehen in Brüssel erneut wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte am Pranger. Die EU-Kommission geht mit gleich zwei Verfahren gegen die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban vor, weil ungarische Gesetze EU-Recht verletzen sollen. CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber forderte am Donnerstag zudem Konsequenzen gegen Polen wegen des Umbaus der Justiz.

In beiden Fällen spitzt sich der Grundsatzkonflikt zwischen der EU und den beiden nationalkonservativen Regierungen somit weiter zu. Beiden wird in Brüssel seit langem vorgehalten, die Grundwerte der Europäischen Union nicht mitzutragen. In beiden Fällen findet die EU-Kommission als Hüterin der Verträge aber bisher kein Mittel, die Regierungen zu einem echten Kurswechsel zu bewegen.

Im Streit mit Ungarn eröffnete die Kommission am Donnerstag ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren, diesmal wegen des neuen Gesetzes mit Auflagen für nichtstaatliche Verbände. Es enthält eine Registrierungs- und Kennzeichnungspflicht für Nichtregierungsorganisationen, die mehr als umgerechnet 24 000 Euro jährlich aus dem Ausland bekommen.

Die EU-Kommission sieht darin einen klaren Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta, vor allem gegen die Vereinigungsfreiheit. „Wir erwarten binnen eines Monats eine Reaktion der ungarischen Behörden“, verlangte Vizekommissionspräsident Frans Timmermans. Ist die Kommission mit der Antwort nicht zufrieden, könnte sie das Verfahren weitertreiben. Das tat sie am Donnerstag mit dem schon seit April laufenden Verfahren zum ungarischen Hochschulgesetz. Hier verlangte Timmermans ebenfalls eine weitere Stellungnahme binnen eines Monats und drohte eine Klage beim Europäischen Gerichtshof an.

Im Fall Polens liegt der Fall etwas anders: Die EU-Kommission hat nicht nur Vertragsverletzungsverfahren gestartet, sondern auch ein sogenanntes Rechtsstaatsverfahren. Das gilt im EU-Recht als besonders schweres Geschütz, weil in letzter Konsequenz Stimmrechte entzogen werden können. Doch kommt das Verfahren nicht voran. Denn die EU-Staaten müssten einstimmige Beschlüsse fassen - und zumindest Ungarn hat Widerstand angemeldet.

Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz

Das EU-Verfahren hält die nationalkonservative Regierungspartei PiS jedenfalls nicht von weiteren Justizreformen ab. Erst am Mittwoch billigte das polnische Parlament mit der absoluten Mehrheit der PiS eine Reform des Landesrichterrats, eines Verfassungsorgans zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz. Kritiker sehen darin den Versuch der Regierung, Einfluss auf die Richterwahl zu nehmen.

Dagegen protestierte Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, scharf. Er warf der PiS eine Abkehr vom Rechtsstaat vor und verlangte Konsequenzen der Europäischen Union. Auch der Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt erklärte auf Facebook: „Es gibt in Polen keine unabhängige und unparteiische Justiz mehr - eine Situation, die mit den EU-Verträgen eindeutig nicht vereinbar ist.“

Die PiS bereitet noch ein weiteres umstrittenes Gesetz über das Oberste Gericht vor. Wie die Zeitung „Gazeta Wyborcza“ berichtete, sorgt vor allem der Artikel 87 für Empörung. Er sieht vor, dass alle Richter mit Inkrafttreten der Novelle in den Ruhestand geschickt werden - über Ausnahmen entscheidet der Justizminister. Kritiker vermuten, dass der PiS nahestehende Juristen am Obersten Gericht das Sagen bekommen sollen.​​​​​​​ (dpa)

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