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Annegret Kramp-Karrenbauer beim Gelöbnis im Bendlerblock in Berlin

© Michael Kappeler/dpa

Vereidigung der Verteidigungsministerin: Opposition grummelt über Bundestags-Sondersitzung in der Sommerpause

Streit um die Vereidigung von AKK: Die einen finden den Rückruf der Abgeordneten aus den Parlamentsferien nötig, die andern sehen darin nur eine teure Show.

Nach Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble haben auch die parlamentarischen Geschäftsführer von CSU und SPD, Stefan Müller und Carsten Schneider, die Notwendigkeit der Sondersitzung des Bundestages am Mittwoch zur Vereidigung der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) betont. Die Opposition dagegen kritisierte den aufwändigen Rückruf aller Abgeordneten aus der Sommerpause als unnötig.

„Eine Bundesverteidigungsministerin, die auch oberste Befehlshaberin einer Parlamentsarmee ist, über Wochen nicht durch das Parlament zu legitimieren sprich zu vereidigen, wäre ein merkwürdiges Signal“, sagte Müller dem Tagesspiegel. „Auch für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die sich in zahlreichen Einsätzen auf verschiedenen Kontinenten befinden, braucht es die schnelle Vereidigung ihrer höchsten Vorgesetzten.“

Sein SPD-Kollege Schneider argumentiert ähnlich. Die Befehlsgewalt der Verteidigungsministerin sei „dadurch beschränkt, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist“, sagte er dieser Zeitung. Ohne entsprechenden Beschluss des Bundestages dürfe die Bundeswehr nicht im Ausland eingesetzt werden. Deshalb müsse die neue Ministerin „unverzüglich nach der Ernennung durch den Bundespräsidenten vor dem Parlament den Amtseid ablegen“.

FDP-Chef bestreitet Notwendigkeit der Sitzung

Der Fraktionschef und Parteivorsitzende der FDP, Christian Lindner, dagegen kritisierte die Entscheidung. „Die Sitzung morgen hat keine rechtliche oder politische Notwendigkeit“, sagte er am Dienstag. Die Vereidigung sei zwar „ein wichtiges demokratisches Symbol“, habe aber rechtlich keine Wirkung. „ Es wäre deshalb ohne weiteres möglich gewesen, im September in einer regulären Sitzung des Bundestags, diese Vereidigung vorzunehmen.“

Letzte Vorbereitungen: Ein Arbeiter plaziert die Stühle für die Abgeordneten im Paul-Löbe-Haus.
Letzte Vorbereitungen: Ein Arbeiter plaziert die Stühle für die Abgeordneten im Paul-Löbe-Haus.

© John MacDougall/AFP

Wirklich klar geregelt ist die Sache nicht. Im Grundgesetz, Artikel 64, heißt es lediglich, dass ein neuer Minister oder eine neue Ministerin vor dem Bundestag einen Eid abzulegen habe. Eine Frist dafür wird nicht genannt. Allerdings soll die Vereidigung nach Angaben des Innenministerium „in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang zur Amtsübernahme“ stehen.

Für die Sondersitzung an diesem Mittwoch wurden die 709 Abgeordneten von ihren Fraktionen aus den jeweiligen Heimat- und Urlaubsorten zurück nach Berlin beordert. Für manche, sagt Lindner, sei das mit erheblichem Aufwand verbunden. Als Beispiel dafür nennt der FDP-Chef die Anreise seiner verteidigungspolitischen Sprecherin, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, von einer griechischen Insel. „Vier Flüge, zwei Übernachtungen, zwei Schiffsreisen.“ Und das alles auf Kosten der Steuerzahler.

"Als würde Prinz Andrew seine Großmutter heiraten"

Auch aus anderen Fraktionen kommt Gebrummel. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, findet, dass man das mit der Vereidigung durchaus auch erst im September hätte machen können. Und für die Zwischenzeit hätte die Bundeskanzlerin die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte kommissarisch übernehmen können. „Die Sondersitzung ist nicht zwingend notwendig.“

Der Linken-Abgeordnete Diether Dehm ärgert sich darüber, dass die Steuerzahler für einen „Show-Aufwand“ zu zahlen hätten, „als würde Prinz Andrew seine Großmutter Queen Elisabeth heiraten" - wobei er Sohn mit Enkel verwechselt. Und der bayerische AfD-Abgeordnete Petr Bystron findet ebenfalls, dass man die Sondersitzung „alleine aus Kostengründen“ nicht gutheißen könne.

Frühere Sondersitzungen schlugen mit 100 000 Euro zu Buche

Tatsächlich gehen Sondersitzungen während der parlamentsfreien Zeit ordentlich ins Geld. Für vergleichbare Aktionen in der Vergangenheit wurden die Kosten auf rund 100.000 Euro geschätzt. Seit 1949 gab es 54 solcher Sitzungen, beispielsweise im Juni 2016 zum Brexit oder im Sommer 2015 zur Griechenland-Hilfe. Nur, dass der Bundestag niemals vorher so viele Abgeordnete hatte wie in dieser Legislatur.

Und dass es diesmal besonders kompliziert wird. Weil im Plenarsaal gerade der Teppichboden ausgetauscht wird und Hilfen für Hörgeschädigte eingebaut werden, müssen die Abgeordneten nämlich ins Paul-Löbe-Haus mit seinen Abgeordnetenbüros und Ausschusssälen ausweichen. Das Foyer dort muss für die Einmal-Veranstaltung nun eigens bestuhlt und mit Rednerpult plus Regierungsbank ausgestattet werden.

Wie teuer das Ganze am Ende wird, ist nach Bundestagsangaben noch unklar. Schließlich muss sich erst zeigen, wie viele Abgeordnete sich mit ihrer Bahncard 100 einfach nur in den Zug zu setzen brauchen und wie viele aus weit entfernten Urlaubszielen zurückfliegen müssen. Womöglich kommen auch einige gar nicht. Prinzipiell allerdings besteht für die Vereidigung Anwesenheitspflicht. Wer unentschuldigt fehlt, muss 200 Euro Strafe zahlen. Wer entschuldigt der Veranstaltung fernbleibt, dem kostet das Versäumnis nur noch 100 Euro.

Schäuble spielt den Aufwand herunter

Parlamentspräsident Schäuble spielt den Aufwand für die Aktion herunter. Erreichbar sei man als Abgeordneter doch immer, sagte der CDU-Politiker dem ZDF. Die Parlamentarier befänden sich ja nicht die vollen zwei Monate der Bundestags-Pause in Urlaub. Außerdem gebe es zwischendurch auch Ausschusssitzungen, insofern sei der Rückruf für Kramp-Karrenbauers Vereidigung „so aufregend auch wieder nicht“.

Kramp-Karrenbauer hatte am Mittwoch vergangener Woche ihre Ernennungsurkunde erhalten. Sie folgt Ursula von der Leyen (CDU) nach, die das Europaparlament zur neuen EU-Kommissionspräsidentin gewählt hatte. Die neue Verteidigungsministerin will nach ihrer Vereidigung eine 15-minütige Regierungserklärung halten. Überschrift: „In Verantwortung für die Zukunft Deutschlands. Für eine starke Bundeswehr in einer Welt im Wandel.“ Anschließen soll daran dann eine etwa einstündige Debatte.

Keine großen inhaltlichen Erwartungen

Wobei Lindner schon mal klargestellt hat, dass sich seine Erwartungen an die Regierungserklärung der neuen Ministerin in Grenzen halten. So kurz nach der Amtsübernahme erwarte er sich davon jedenfalls keine Verschiebung der Grundkoordinaten der deutschen Sicherheitspolitik, sagte er. „Vermutlich werde ich, werden wir alle nicht beeindruckt sein von den 15 Minuten von Kramp-Karrenbauer.“ Aber vielleicht beschert die unerwartet ins Ministeramt gekommene CDU-Chefin dem FDP-Chef ja nochmal eine Überraschung. (mit dpa/AfP)

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