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Der 22 Jahre alte Aktivist Joshua Wong trug in der Bundespressekonferenz seine Forderungen vor. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

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Verbaler Schlagabtausch in Berlin: Was vom Wirbel um Joshua Wong bleibt

Joshua Wong macht Berlin zu seiner Bühne. Chinas Botschafter ist über den Auftritt des Aktivisten verärgert. Nicht nur er kritisiert das Treffen mit Heiko Maas.

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Wie sehr der Hongkonger Aktivist Joshua Wong China herausfordert, hat sich am Mittwoch auch in Berlin gezeigt. Normalerweise lädt die chinesische Botschaft Medien lediglich zu Nationalfeiertagen in das ehemalige FDGB-Gebäude an der Jannowitzbrücke in Berlin-Mitte. Am Mittwochnachmittag aber wollte oder musste der neue Botschafter Wu Ken auf Joshua Wongs Auftritt am Morgen vor der Bundespressekonferenz reagieren.

Über den Demokratie-Aktivisten sagte er: „Seine Anhänger und er zielen darauf ab, Konfrontation in der Gesellschaft herzustellen, Hass und Gewalt zu verbreiten.“ Er warf ihm vor, von „bestimmten Mächten“ gesteuert zu werden. Er dürfte die USA gemeint haben. Über Außenminister Heiko Maas und andere Bundestagsabgeordnete, die sich zuletzt mit Wong getroffen hatten, sagte der Botschafter:  „Ich rate den Politikern davon ab, Gewaltverbrechen zu vertuschen und sich in die inneren Angelegenheiten von Hongkong und China einzumischen.“

Am Morgen hatte Joshua Wong mit einem leidenschaftlichen Auftritt an die deutsche Öffentlichkeit appelliert, den Kampf um Demokratie und Freiheit in seiner Heimatstadt zu unterstützen. „In aller Ernsthaftigkeit bitte ich um Ihre Unterstützung“, sagte der 22-jährige Studentenführervor der Bundespressekonferenz und zog immer wieder historische Parallelen. „Hongkong ist das neue Berlin im neuen Kalten Krieg“, erklärte er.

Wie Berlin zur Zeit der Blockkonfrontation als Hort der Freiheit gegolten habe, verstehe sich Hongkong heute als Frontlinie gegen das diktatorische Regime in Peking. Befragt zu den Gründen seiner Zuversicht, meinte er, vor drei Jahrzehnten habe sich auch niemand vorstellen können, dass die Sowjetunion wenig später zusammenbrechen werde: „Mit unserer Leidenschaft und Hingabe werden wir Erfolg haben.“

Der mit seiner großen Brille und akkurat kurz geschorenem Haar jugendlich wirkende Generalsekretär der Partei Demosisto trug seine Forderungen in teilweise pathetischen Formulierungen vor, ohne auch nur einmal zu stocken. Vor Beginn der Pressekonferenz hatte er sich bereitwillig den zahlreich erschienenen Fotografen und Kameramännern gestellt und so auf das große Medieninteresse reagiert, das seinen Besuch in Berlin ausgelöst hat.

Am Montag war er auf Einladung der „Bild“-Zeitung in der deutschen Hauptstadt eingetroffen. Die Zeitung durfte daraufhin nicht an der Pressekonferenz am Mittwoch in der chinesischen Botschaft teilnehmen. „Kein Platz“, wiederholte Botschafter Wu Ken, obwohl fast die Hälfte der Stühle im weiträumigen Veranstaltungssaal der Vertretung unbesetzt blieben. Der Botschafter berichtet, dass er bei der Bundesregierung versucht habe, die Einreise von Joshua Wong zu verhindern. Vergeblich.

Wong seinerseit bedankte sich für die große Unterstützung, die ihm in Berlin zuteil geworden war. „Ich atme hier den Duft der Freiheit statt das aggressive Tränengas in Hongkong“, sagte er. Seine Heimatstadt dürfe kein Polizeistaat werden, warnte er und zählte mehrere Fälle von „brutalem und unverhältnismäßigem Einsatz von Polizeigewalt“ auf, zu denen auch sexuelle Übergriffe auf Demonstrantinnen gehört hätten.

China bestellt deutschen Botschafter in Peking ein

In den seit 14 Wochen andauernden Protesten wehren sich die Demonstranten gegen die Beschneidung ihrer politischen und bürgerlichen Freiheiten, die vor der Übergabe der ehemaligen britischen Kolonie 1997 in einem Vertrag von Großbritannien und China garantiert worden waren. „China ist bekannt dafür, dass es nicht nach den Regeln spielt, China hält sich nicht an internationale Verträge“, kritisierte Wong.

„Wir werden unseren Kampf bis zu dem Tag fortsetzen, an dem wir demokratische Rechte genießen“, kündigte der Aktivist an, der in die USA weiterreisen will, um auch dort im Gespräch mit Politikern für seine Sache zu werben.

Nach Maas’ Treffen mit Wong hatte China den deutschen Botschafter in Peking einbestellt. „Wir haben unsere tiefe Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht“, sagte Chinas Botschafter in Berlin. „Das Treffen wirkt sich negativ auf unserer Beziehungen aus, die chinesische Seite muss auch reagieren.“

Ehemaliger deutscher Botschafter verteidigt Maas

Der Politikwissenschaftler und Außenpolitik-Experte Johannes Varwick von der Universität Halle kritisierte das Treffen von Maas mit Wong ebenfalls. „Der kurze Fototermin mit Maas war eine unnötige Provokation Chinas, die die Lage nicht verändert und nur für die deutsche innenpolitische Galerie gedacht ist“, sagte er dem Tagesspiegel. Die vielversprechendere Methode sei es, „hinter den Kulissen auf friedliche Lösungen zu drängen und im Dialog zu bleiben“. Dies gelte jedenfalls, solange China keine Gewalt in Hongkong anwende.

Asien-Experte Volker Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik verteidigte die Begegnung und erwartet keine harte Reaktion Pekings jenseits eines „Gesprächs“ des deutschen Botschafters in Peking und der Rhetorik. „Die Wahrnehmung Wongs durch die Bundesregierung ist offenkundig sorgfältig kalibriert worden: Keine Begegnung mit der Kanzlerin, mit dem Außenminister nicht an dessen offiziellem Amtssitz; vielleicht wurde auch die chinesische Seite vorab informiert“, sagte der ehemalige Botschafter, der auch in Peking Dienst tat, dieser Zeitung. Peking werde „die Beziehungen nicht in eine neue Eiszeit treiben – selbst wenn Außenminister Maas nun nicht damit rechnen kann, künftig ein besonders geliebter Gesprächspartner in Peking zu sein.“

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