zum Hauptinhalt
In der Kritik: Günter Nooke, persönliche Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin.

© dpa/DAVIDS/Darmer

"Veraltetes und koloniales Denken": Neue Rücktrittsforderungen gegen Merkel-Berater Nooke

Politiker von Grünen und FDP fordern die Entlassung des Afrikabeauftragten Günter Nooke. Die Bundesregierung stellt sich hinter den CDU-Politiker.

Seit Monaten steht er in der Kritik – der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und CDU-Politiker Günter Nooke. Er ist der persönliche Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, den Job macht er seit 2010 – dabei ist er die meiste Zeit mehr oder weniger unauffällig geblieben. Doch vor wenigen Monaten sorgte Nooke plötzlich für eine Welle der Empörung. Der Unmut kam von der Oppositionsbank im Bundestag, genau wie aus den Reihen der SPD. Auch Vertreter der afrikanischen Diaspora in Deutschland beschwerten sich über Nooke. Sie alle werfen Merkels Afrikabeauftragten eine Verharmlosung des Kolonialismus vor.

Nooke hatte im Herbst in einem Interview gesagt, die Kolonialzeit habe in Afrika dazu beigetragen, „den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen“. Auch Wissenschaftler kritisieren Nooke scharf. Organisationen wie der „Fachverband Afrikanistik“ oder die „Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie“ klagen, Nooke habe eine Kritikerin einschüchtern wollen. Der schweigt zu den Vorwürfen.

Trotz der massiven Kritik will die Bundesregierung an Nooke festhalten. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Die Grünen-Bundestagsfraktion wollte im Februar 2019 wissen, ob sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von Nooke „in Bezug auf den afrikanischen Kontinent sachkundig beraten“ fühle. Die Antwort der Bundesregierung lautet: „Ja.“ Aus ihrer Sicht ist Nooke auch weiterhin ein geeigneter Gesprächspartner für afrikanische Regierungen und Organisationen sowie Forscher und wissenschaftliche Einrichtungen.

Der Grünen-Abgeordnete Ottmar von Holtz fordert indes Nookes Entlassung. „Dass dieser Posten trotz der offensichtlichen Überforderung des Amtsinhabers und seiner Fehltritte weiterhin mit Herrn Nooke besetzt ist, zeigt, welchen Stellenwert die Bundesregierung der Afrikapolitik in Wahrheit beimisst“, sagt von Holtz. „Es stünde Deutschland gut zu Gesicht, wenn dieser Posten mit einem Experten besetzt würde, bestenfalls mit jemandem aus Afrika.“

"Kolonialrevisionistische Äußerungen"

Von Holtz und seine Fraktionskollegen wollten von der Bundesregierung auch wissen, wie die zu den Vorwürfen steht, Nooke habe die Hamburger Afrikanistin Raija Kramer einzuschüchtern versucht. Die Juniorprofessorin hatte im vergangenen Herbst in einem offenen Brief an Merkel Nookes Entlassung gefordert – „wegen seiner kolonialrevisionistischen Äußerungen“, wie sie damals schrieb.

Nach einem persönlichen Gespräch am 13. Februar 2019 überreichte Nooke der Wissenschaftlerin ein „Gutachten“ des Görlitzer Theaterwissenschaftlers Matthias Vogt, einem persönlichen Freund Nookes. Der empfahl in seinem Schreiben dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Kramers „Dienstherrn“ zu informieren. Der Präsident der Universität Hamburg sollte nach Vogts Vorschlag vom BMZ in Kenntnis über Kramers Streit mit Nooke gesetzt werden. Außerdem unterstellte Vogt der Juniorprofessorin wissenschaftliches Fehlverhalten. Der „Fachverband Afrikanistik“ und andere akademische Vereinigungen werteten das als Drohgebärde gegen die Afrika-Expertin.

Jetzt distanzierte sich die Bundesregierung von Vogts „Gutachten“. Das sei ein „individueller Debattenbeitrag“, den die Regierung nicht bewerten wolle. Zugleich schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Grünen-Anfrage, sie mache sich die „Einschätzung und Empfehlungen“ aus Vogts Schreiben nicht zu eigen. „Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, den Präsidenten der Universität Hamburg zu informieren“, heißt es weiter. Dass Nooke versucht haben soll, die Vorsitzende des „Fachverbands Afrikanistik“ einzuschüchtern, kann die Bundesregierung nicht erkennen. Deren Meinungsfreiheit sehe die Bundesregierung „nicht beeinträchtigt“.

Ottmar von Holtz: "Nooke hat keine Ahnung"

Der Grünen-Politiker von Holtz wirft der Bundesregierung nun vor, den Vorwurf der Einschüchterung „nicht entkräften“ zu können. „Der Afrikabeauftragte Günter Nooke hat versucht, kritische Stimmen mundtot zu machen“, erklärte von Holtz. „Nooke hat keine Ahnung von diesem äußert vielseitigen Kontinent. Er denkt in holzschnittartigen, veralteten und von kolonialem Denken geprägten Mustern. Darum ist er für die deutsche Afrikapolitik eine schwere Belastung und für den angeblich angestrebten Dialog auf Augenhöhe ungeeignet.“

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann fordert Nookes Rücktritt. Merkels Berater sollte eigentlich die „personifizierte Richtlinienkompetenz der Kanzlerin für eine kohärente Afrika-Politik darstellen“. Doch diese Chance habe Nooke endgültig vertan, findet Hoffmann. Damit stelle sich die Frage: „Wozu braucht es einen Afrika-Beauftragten, wenn er Günter Nooke heißt?“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false