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Benutzte Pipetten im Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie (Symbolbild)

© dpa/Wolfgang Kumm

Veraltetes Embryonenschutzgesetz: Deutschland muss wieder Exzellenz ermöglichen

Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen muss auch in Deutschland auf höchstem wissenschaftlichen Niveau wieder möglich sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sascha Karberg

Das Fundament der Demokratie sind Kompromisse. Etwa wenn das Grundrecht der Forschungsfreiheit mit dem Schutzgebot der Menschenwürde kollidiert wie bei der Frage, ob bei künstlichen Befruchtungen übrig gebliebene Embryonen für die Forschung verwendet werden dürfen. Vor fast zwanzig Jahren entschied der Bundestag ohne Fraktionszwang, dass das Herstellen menschlicher embryonaler Stammzellen für Forschungszwecke verboten ist, der Import solcher Zelllinien und die Forschung damit aber erlaubt sind. Es gelten strenge Voraussetzungen, die Zellkulturen müssen etwa vor einem gewissen Stichtag erzeugt worden sein.

Doch der Kompromiss war und ist faul. Zu diesem Ergebnis, wenn auch nicht mit diesen Worten, kommt ein Expertengremium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Akademienunion nun in einer Stellungnahme. Stammzellforschung hat in Deutschland mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Die Forderung, das zu ändern, wurde vielfach seitens der Forschung geäußert – und von der Politik konsequent ignoriert. Eine Reform des völlig veralteten Embryonenschutzgesetzes gilt als hochproblematisches Thema, das keine der relevanten Parteien angehen mag.

Für die breite Öffentlichkeit nicht relevant? Das war die Forschung an Corona-Viren auch nicht

Leopoldina und Akademienunion bringen das Thema bewusst vor der Bundestagswahl auf die Agenda. Die Coronakrise hat den Wählern gezeigt, was passieren kann, wenn man wissenschaftliche Expertise ignoriert, etwa indem man Pandemiepläne in Schubladen Staub ansetzen lässt. Kann man machen – bis die Pandemie kommt.

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Zwar droht wohl keine globale Krise, wenn exzellente Embryonenforschung in Deutschland weiter unmöglich gemacht wird. Doch es führt dazu, dass hiesige Forscher im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess mehr und mehr auf die Expertise auswärtiger, etwa britischer oder israelischer Kollegen angewiesen sind. Dort werden bestimmte Experimente unter strenger Kontrolle pragmatisch genehmigt. Das kann der Politik in Deutschland herzlich egal sein. Doch sie sollte sich genau überlegen, ob Deutschland es sich leisten kann, bei grundlegendem Wissen auf Sekundärquellen angewiesen zu sein – selbst wenn es unwahrscheinlich ist, dass dieses Wissen alsbald politische Relevanz bekommt. Etwa so unwahrscheinlich wie der Ausbruch einer Pandemie.

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