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Debatte um jeden Cent: Die Neuregelung der Hartz IV-Leistungen stellt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen auf eine harte Probe.

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Veränderte Leistungssätze: Hartz-IV-Regelung: Erwartungen steigen

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kann höhere Hartz IV-Sätze kaum finanzieren. Außenminister Westerwelle fände 40 Euro mehr für die Sozialhilfeempfänger "ungerecht".

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Pläne von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Neuregelung der Hartz-IV-Leistungen haben innerhalb der Regierungskoalition eine Debatte über die Anhebung der Transferleistungen an sich, wie auch über die Finanzierung derselben, ausgelöst.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Meister (CDU), bezeichnete es als eine „Selbstverständlichkeit“, dass die Arbeitsministerin Mehrkosten aus ihrem eigenen Haushalt finanziert, die entstehen, wenn ab 2011 die Regelsätze für Langzeitarbeitslose und deren Kinder ansteigen. „Wer Vorschläge für Ausgaben macht“, sagte Meister dem Tagesspiegel, „der muss auch Vorschläge zur Finanzierung machen.“

Hintergrund ist der Gesetzentwurf Leyens zur Neuregelung der Hartz-IV-Regelsätze, der am Montag den Ministerien zur Stellungnahme vorgelegt wurde und über den das Kabinett am 20. Oktober entscheiden will. Wenn die Ministerin am kommenden Montag die neu berechneten Regelsätze vorstellen wird, ist damit zu rechnen, dass dies zu Mehrkosten für den Bund im Milliardenbereich führt. Allein die Anhebung der Sätze für Erwachsene von derzeit 359 Euro um rund zehn Euro monatlich würde schon die Milliardengrenze sprengen. Hinzu kommen Kosten, die entstehen, weil mit der Anhebung der Sätze mehr Geringverdiener Anspruch auf höhere Hilfen haben. Auch die Regelsätze für Kinder sollen steigen, außerdem plant Leyen Sachleistungen für die Bildung der Kinder von Langzeitarbeitslosen. Alles in allem sind im Bundeshaushalt jedoch bisher für die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zur Neuberechnung der Hartz-Leistungen nur 480 Millionen Euro eingestellt – ein Betrag, der die Kosten nicht annähernd decken wird.

Der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß wehrte sich am Dienstag gegen den Vorwurf, Sozialpolitik nach Kassenlage machen zu wollen. „Hartz-IV-Leistungen sind Pflichtleistungen“, sagte er, weshalb sie auf jeden Fall gezahlt würden. Woher das Geld allerdings kommen soll, da will sich Weiß nicht festlegen. Im Rahmen der Sparbeschlüsse des Kabinetts zur Einhaltung der Schuldenbremse, erinnert sich der CDU-Mann, sei der Etat des Arbeitsministeriums bereits deutlich gekürzt worden. Er sieht daher maximal bei den Darlehen des Bundes für die Bundesagentur für Arbeit noch geringe Kürzungsmöglichkeiten. Reiche das nicht aus, müsse man auf steigende Steuereinnahmen setzen und damit die höheren Hartz-IV-Kosten decken.

Bei der FDP geht derweil die Sorge um, dass sich Leyen als fürsorgliche Unterstützerin der Langzeitarbeitslosen profilieren will. Zwar wehren sich die Liberalen nicht dagegen, dass der Regelsatz für Langzeitarbeitslose und andere Hartz-IV-Empfänger angehoben wird. Allerdings haben sie zwei Bedingungen: Die erste ist eine moderate Anhebung, die zweite die Finanzierung innerhalb des Etats der Arbeitsministerin. FDP-Chef Guido Westerwelle lehnt eine deutliche Erhöhung der Hilfen prinzipiell ab. Laut „Bild“-Zeitung hat Westerwelle das in einer Telefonkonferenz mit FDP-Fachpolitikern am Dienstag klargemacht. Danach habe der Parteichef wörtlich gesagt: „40 Euro im Monat mehr für jeden Hartz-IV-Empfänger, aber Nullrunden für die Rentner, das ist nicht gerecht. Das kann und wird so nicht kommen.“ Der FDP-Chef bezieht sich auf Hinweise aus dem Arbeitsministerium, eine Anhebung der Regelsätze auf mehr als 400 Euro käme nicht infrage.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion und Haushaltspolitiker Otto Fricke forderte Leyen derweil auf, bei der Zusammensetzung der Leistungen, die bei der Bemessung der Regelsätze herangezogen werden, zu kürzen. „Muss der Hartz-IV-Regelsatz Geld für Tabak, Alkohol und Gaststättenbesuche vorsehen, wenn sich das gering verdienende Arbeitnehmer auch sparen müssen?“ fragt Fricke. Und man ahnt seine Antwort darauf.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor politischen Mauscheleien. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte: „Was ein Mensch zum Leben braucht, darf nicht nach politischem Gusto oder durch faule Kompromisse im Koalitionsausschuss entschieden werden.“ Sie schlug vor, die jährliche Fortschreibung der Regelsätze nach der Preisentwicklung der regelsatzrelevanten Güter auszurichten.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig kritisierte, dass die Höhe der Hartz-IV-Sätze neben dem Preisniveau auch zu einem kleineren Teil an die Lohnentwicklung gekoppelt werden soll. Sie habe große Sorge, dass der Gesetzentwurf den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes deshalb nicht standhalte.

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